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Kritik: Deutscher Lovecraft-Indy-Horror „Die Farbe“

Die Story

Ein Meteor stürzt in den Dreißiger Jahren in einem Tal in Süddeutschland ab. Wissenschaftlern gelingt es nicht, das abgestürzte Objekt richtig zu analysieren – sie bemerken nur nach einiger Zeit eine Farbe in einem bisher auf der Erde unbekannten Spektrum. Einige Zeit später gehen seltsame Phänomene in diesem Tal vor. Erst tragen die Bäume riesige, aber ungenießbare Früchte. Dann zerfallen Pilze innerhalb weniger Augenblicke nach Berührung zu Staub und die Menschen verlieren langsam, aber unaufhaltsam den Verstand – während sie etwas an der Flucht hindert.

Andere Zeitebene: In den Siebziger Jahren begibt sich der Sohn eines US-Soldaten aus Arkham auf die Suche nach seinem verschollenen Vater in dem ehemaligen Besatzungsgebiet in Deutschland. Er findet das Tal, dass gerade geräumt wurde, da es für einen Stausee überflutet werden soll, und dort einen Augenzeugen der Ereignisse von damals. Schrittweise setzt sich ein Puzzle zusammen, dass so nicht wirklich rational fassbar ist.

Die Umsetzung

Zwei Filmstudenten haben sich die Kurzgeschichte „Die Farbe aus dem All“ von H. P. Lovecraft vorgenommen. Mit einem geringen Budget, wenigen Förderern, teilweise geliehener Ausrüstung und nahezu unbekannten Schauspielern, aber dafür umso mehr Elan machten Sie sich unerschrocken ans Werk. Dabei wurde der gesamte Film in schwarz-weiß gedreht. Lediglich die „Farbe“ durchbricht dieses Stilmittel und erstrahlt in einem grellem Lila/Pink-Ton. Gedreht wurde unter teils widrigen Umständen, größtenteils in öffentlichen Freilichtmuseen.

Der Film erlebte Ende 2010 seine Uraufführung und spielte seitdem auf wenigen Festivals. Die DVD und die Blu-Ray sind nahezu ausschließlich über den Eigenvertrieb via Internet zu bekommen, preislich gehen sie mit 14,49 €/18,49 € (zzgl. 2,– € Versand) durchaus noch in Ordnung. Die vorliegende Blu-Ray lag in einem simplen Digi-Pak, dessen Format aber eigentlich für DVDs vorgesehen ist (also etwas höher als eine normale Blu-Ray-Verpackung ist), was nur die verrücktesten Sammler weiter stören sollte.

Dem Film liegt ein Werbezettel für das Cthulhu-Rollenspiel von Pegasus bei.

Die Farbe - Trailer

Die Kritik

Schwarz-weiß als Stilmittel findet man heutzutage nur noch sehr selten in Filmen. Dennoch ist es immer noch sehr interessant, was auch „Das weiße Band“ von Michael Haneke 2009 mit absolut scharfen und beeindruckenden Bildern gezeigt hat. Die Bilder von „Die Farbe“ sind nicht so knackig wie bei Haneke, aber wissen dennoch visuell durchaus zu überraschen. Die Spezialeffekte sind ebenfalls durchweg gelungen, lediglich in einer Szene setzt sich der Rand eines Weltall-Fotos der Erde zu deutlich und irritierend vom Hintergrund ab (verschiedene Schwarztöne).

Die Geschichte aus dem Lovecraft’schen Universum der 20er Jahre wurde von Regisseur, Produzent, Cutter und Drehbuchautor Huan Vu aus den USA größtenteils nach Deutschland durch einen Kunstgriff verfrachtet. Er gewinnt dadurch allerdings nicht wirklich etwas Substanzielles hinzu – die Rahmenhandlung bietet eigentlich nur den Vorteil, einen Anknüpfungspunkt für das Lovecraft’sche Arkham zu schaffen – was natürlich die Fans des Mythos begeistert, alle andere aber kalt lassen muss. Im Gegenteil hätte eine vollständige Verschiebung nach Deutschland mit einigen Ungereimtheiten aufgeräumt: Der angeblich nur leidlich deutsch sprechende Sohn (so wird es etabliert) wird später detailreich die ganze grausige Geschichte erzählt – die dieser natürlich (aufgrund der Theatralik) nicht unterbrechen darf und daher plötzlich problemlos Deutsch verstehen können muss. Eine deutsche Familiengeschichte hätte hier vermutlich besser funktioniert. Dazu kommt das Problem, dass nicht alle englischsprachigen Rollen auch von Muttersprachlern gesprochen werden, wobei dies weniger ins Gewicht fällt (wenn man bedenkt, wie hahnebüchend schlecht bisweilen auch in großen Hollywood-Produktionen Deutsch gesprochen wird). Man hat die Wahl zwischen unterschiedlichen Untertiteln, allerdings irritieren diese zumindest auf der Blu-Ray-Version durch eine leichte gelbe Färbung vor dem Schwarz-Weiß-Bild. Sie lassen sich allerdings ausschalten.

An anderer Stelle kommt der Horror für meinen Geschmack dann auch etwas zu kurz. Zwar wird vieles der Vorstellungskraft der Zuschauer überlassen (was sehr viel effektiver sein kann als jeder Spezialeffekt), aber manches hätte man halt doch noch gerne gesehen und nicht nur beschrieben bekommen. Wenn schon beschrieben wird, dass es im Wald von sich selbst bewegende Äste auch bei sonstiger Windstille gibt, dann will man bei der nächsten Waldszene auch etwas in der Art sehen. Oder man verzichtet halt auf weitere Waldszenen. Und: der eine in sich zerfallene Pilz wirkt visuell faszinierend und eindrucksvoll – aber eigentlich sollte hier doch mehr als „nur“ ein Pilz verrotten und zu Staub werden, oder?

Dennoch muss man auch viele Aspekte des Films deutlich loben. Die Ausstattung wurde mit viel Liebe zum Detail getroffen, die Wahl, in Freilichtmuseen zu drehen, gibt dem Film eine authentische Note, wie auch die Autos der Siebziger Jahre samt alten Kennzeichen. Die schauspielerischen Leistungen sind durch die Bank ausreichend bis gut. Und auch die Filmmusik reichert mit recht simplen, aber eindrucksvollen Stücken die Stimmung an – kein Stück drängt sich unangenehm in den Vordergrund, das ist auch eine wichtige Leistung. Loben darf man auch noch die Kameraführung, die immer wieder auch einmal außergewöhnliche Einstellungen findet. Trotz 720p-HD-Video-Kamera zeigt der Film mitnichten ein Video-Look, sondern ähnelt den klassischen 35-mm. Letztlich gefällt mir die Wahl für die Darstellung der „Farbe“ außerordentlich gut, sie unterstützen sehr gut die Fremdartigkeit dieser „Substanz“ und geben ihr etwas überraschend plastisches.

Für Horror-Fans, die subtileren und langsamen Schrecken den großen Splatter-Hammer vorziehen, durchaus ein kleiner Geheim-Tipp. Und für Cthulhu-Fans sowieso.

„Die Farbe“ (D, 2010) Regie: Huan Vu. 1:25h
★★★★☆
www.die-farbe.com
(Herzlichen Dank an den Regisseur für das Rezensionsexemplar)

Kritiken zu Serien, Filmen und seltener auch Rollen- und Brettspiele …

Ron Müller

Ron Müller

Rollenspieler auf Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen. Blog: Edieh, Podcast: Ausgespielt.

Eine Antwort

  1. Hatte ihn kurz nach erscheinen gekauft, gesehen und er hat wirklich gut gefallen. Wenn man schonmal über 10 euro für nen Film ausgibt, hier sind sie gut angelegt! Das Making of ist übrigens auch sehenswert!