Über Pen-&-Paper-Rollenspiele und deren Inspirationsquellen
Suche
Close this search box.

„Dr. Ernst Garner“ – Kunstkopfstereofonie im Hörspiel

Im Harz untersuchen Dr. Ernst Garner, Kommissar Gottschalk und das Team eine Reihe von Ritualmorden. Bald stellt sich heraus, dass die Mordserie auf ein Zieldatum zusteuert: der Walpurgisnacht, die, praktischerweise, auch kurz bevorsteht. Denn irgendjemand bedient sich an den Motiven aus dem Hexenhammer und will ein Ritual durchführen, bei dem auch noch Zahlen und Sternenkonstellationen eine Rolle spielen. Doch erstmal trifft Dr. Garner in dem Hotel am Brocken eine attraktive Rucksacktouristin …

Hören in 3D?

Marco Ansing ist ohne Frage ein Hörspiel-Freak (im positiven Sinne), der sehr aktiv in der großen Hobbyisten-Szene in Deutschland ist. Er hat unter anderen 2013 eine Crowdfunding-Aktion für ein Steampunk-Live-Hörspiel erfolgreich finanziert, damals habe ich ihn für den Ausgespielt-Podcast dazu interviewen dürfen. Sein aktuelles Projekt ist eben dieses Mystery-Hörspiel in 3D.

Moment, ein Hörspiel „in 3D“?

Ganz im Stil von Grusel-Groschenroman-Klassikern wie „John Sinclair“ aufgemacht, sind für die Reihe „Dr. Ernst Garner“ bereits drei Episoden erschienen. Dem ersten Teil, „Hexensabbat auf dem Brocken“, haben sie nun ein Remake mit durchaus auch prominenten Sprechern (Helmut Krauss) verpasst und dabei zumindest teilweise eine besondere Aufnahmetechnik verwendet: die Kunstkopfstereofonie. Hier ist ein künstlicher Kopf mit Mikrofonen in künstlichen Ohrmuscheln der Ausgangspunkt der Aufnahme und die Tonsignale werden dadurch genauso zeitlich versetzt aufgenommen, als ob sie an einem lebendigen Kopf ankommen würden. Das Ziel dieser Technik: Stereoaufnahmen möglichst perfekt aufzunehmen und ebenso wiederzugeben, wobei letzteres nur durch Kopfhöhrernutzung wirklich realisierbar ist.

Hierbei heben die Macher den dritten Track ihres Hörspiels besonders hervor: Bei einer Leichenschau wird eben diese mit einem Wasserstrahl abgespritzt, und dieses Hörerlebnis – man wird gebeten, das ganze mit Kopfhörer und in einer liegenden Position zu genießen – ist in der Tat äußerst plastisch anzuhören, man ist in der akustischen Perspektive des Leichnams. Neben der Kunstkopfstereofonie sind die anderen Tonspuren allerdings herkömmlich aufgezeichnet und dann durch ein Computerprogramm entsprechend im Stereo-Raum arrangiert.

Und hiermit habe ich dann leider ein leichtes Problem, wie mit den Beginn der Farbfilme oder der 3D-Filme im Kino: Der Effekt wird meiner Meinung nach hier zu stark eingesetzt. Statt farbig wird es quietschbunt, statt eindrucksvolle 3D-Welten zu inszenieren, springen einen ständig irgendwelche Objekte anscheinend entgegen. Akustisch bedeutet dies analog, dass regelmäßig Stimmen von links nach rechts schwingen, dabei leiser und lauter werden, sich entfernen oder nähern. Im Film umgesetzt wären die Darsteller also ständig am auf- und ablaufen und sich dabei auch gerne mal kreuzend. Dies sparsam eingesetzt ist auditiv durchaus unterhaltsam, hier lenkt dies aber leider etwas zu oft von der Geschichte ab und verkommt zu einem irritierenden bis nervigen Gimmick, wobei ich nicht ausschließen mag, dass dies evtl. auch an meinem Fokus auf die Inszenierungstechnik lag, dass mir diese so stark aufgefallen ist.

Dennoch muss ich auch anerkennen: Das Hörspiel ist höchst professionell inszeniert, alle Aufnahmen sind kristallklar, die Toneffekte sind hervorragend, Ortsbeschreibungen werden jeweils von einer separaten bewusst monotonen Stimme gelesen, die Erzählerinnen-Stimme ist dann noch eine weitere, auch allgemein sind die Sprecher durch die Bank mindestens befriedigend bis sehr gut. Man könnte jetzt noch besonders herausstellen, dass dies ein Hörspiel von einer Gruppe begeisterter Amateuren ist, aber die Produktion braucht sich nicht hinter den Produktionen professioneller Hörspielmacher zu verstecken. Dazu kommt eine unterhaltsame kleine Geschichte, die zwar insgesamt etwas vorhersehbar ist, aber ein paar gruselige Stellen geschickt einzusetzen weiß.

Das Cover von „Dr. Ernst Garner (1): Hexensabbat auf dem Brocken“ (Hoerspielprojekt.de)
Das Cover von „Dr. Ernst Garner (1): Hexensabbat auf dem Brocken“ (Hoerspielprojekt.de)
„Dr. Ernst Garner (1): Hexensabbat auf dem Brocken“ (Hörspiel D 2015) Regie: Marco Ansing, Bastian Lembrecht, Marcus Micksch und Jan Schroeder Buch: Marco Ansing basierend auf einer Kurzgeschichte von ihm Sprecher: Marco Ansing, Malcolm Andreasson, Lily Riard, u. a. Freiwillige Altersfreigabe: Ab 16 Jahren
★★★★☆

„Dr. Ernst Garner (1): Hexensabbat auf dem Brocken“ ist bei Hoerspielprojekt.de kostenlos im MP3-Format herunterladbar. Die offizielle Seite zur Reihe mit allen bisher erschienenen Folgen findet man unter www.ernstgarner.de. In diesem Beitrag ist ein Audio-Trailer eingebettet, der gemäß Marco Ansing unter einer Creative Commons-Lizenz steht.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
docron.de