Ein böser Doktor? – Kritik: „Doctor Who – Der sechste Doktor Vol. 3“

Prozess für einen Zeitwanderer

Die anderen Zeitwanderer des Hohen Rates sitzen über den Doktor (Colin Baker) zu Gericht. Ihm wird vorgeworfen, gegen zahlreiche Gesetze Gallifreys verstoßen zu haben, darunter Einmischung in andere Welten und später sogar Genozid. Als Ankläger fungiert ein mysteriöser Zeitwanderer namens Ankläger („Valeyard“, Michael Jayston).

Der Doktor im Anklagestand wird heftig vom Ankläger Valeyard zugesetzt (Colin Baker und Michael Jayston, Foto: Pandastorm Pictures/BBC)
Der Doktor im Anklagestand wird heftig vom Ankläger Valeyard zugesetzt (Colin Baker und Michael Jayston, Foto: Pandastorm Pictures/BBC)

Beweise werden durch die „Matrix der Zeit“ geliefert: Einem Konstrukt der Zeitwanderer, das vermeintlich manipulationssicher Ausschnitte aus zurückliegenden Abenteuern des Doktors und seinen Begleiterinnen Peri (Nicola Bryant) und Mel (Bonnie Langford) auf einem großen Bildschirm im Gerichtssaal zeigen kann*.

* Eine sehr andere Präsentationsform der Serials der 23. Staffel von 1986, die so nicht nur eine verbindende Rahmenhandlung für drei Serials á vier halbstündigen Episoden aufweist, sondern welche einzelne Plotbestandteile der Serials in ein spannendes Finale mit zwei halbstündigen Episoden zusammenführt. Allerdings haben im Deutschen sämtliche 14 Episoden denselben Titel („Das Urteil“) erhalten, während im Original es noch Untertitel gab, ein Makel, den offenbar Pandastorm mit der Veröffentlichung abgestellt hat – im Booklet gibt es endlich auch deutsche Titel, die ich hier übernehme.

Staffel 23, Serial 1: „Das Urteil – Der rätselhafte Planet“ („Trial of a Timelord – The Mysterious Planet“, 4×25 Minuten)

Peri und der Doktor landen auf dem primitiven Planeten Ravolox, dessen Bewohner einige überraschende Verbindungen zu der Erde aufweisen, was schließlich dem Schluss naheliegt, dass die Erde selbst Ravolox, nur an anderer Stelle im Weltall, sein muss.

Der Doktor auf dem mysteriösen Planeten (Foto: Pandastorm Pictures/BBC)
Der Doktor auf dem mysteriösen Planeten (Foto: Pandastorm Pictures/BBC)

Ein Roboter scheint darauf die Antwort zu haben. Dieser bewacht die Geheimnisse der alten Zeit, aber als der Schurke Sabalom Glitz (Tony Selby, der diese Rolle später noch weiterspielen soll) selbst versucht, an diese zu gelangen, wird die Stromzufuhr des Roboters instabil und der Doktor muss ihn deaktivieren, wodurch die Geheimnisse letztlich verloren gehen. Es bleibt unklar, wieso die Erde im Weltall eine neue Position eingenommen hat.

Staffel 23, Serial 2: „Das Urteil – Mindwarp“ („Trial of a Timelord – Mindwarp“, 4×25 Minuten)

Die Mentoren sind eine wunderschön verschrumpelte Spezies (Foto: Pandastorm Pictures/BBC)
Die Mentoren sind eine wunderschön verschrumpelte Spezies (Foto: Pandastorm Pictures/BBC)

Bei einem erst kürzlich zurückliegenden Abenteuer, an dass sich der Doktor selbst offenbar nicht mehr richtig erinnern kann, landen der Doktor und Peri auf dem Planeten Thoros Beta. Auf der Spur von Waffenhändlern treffen Sie auf ein hochentwickeltes, aber dekandentes und sterbendes Volk namens Mentoren, welche die primitiven Bewohner mit Hochtechnologie versorgen.

Doch der Mentor-König Kiv liegt im Sterben, und die einzige Möglichkeit, ihn zu retten, ist, sein Gehirn zu verpflanzen. Der Doktor benimmt sich immer uncharakteristischer und selbstsüchtiger und gefährdet zunehmend seine Begleiterin. Letztlich stirbt Peri, als eben ihr das Hirn von König Kiv eingesetzt wird.

Staffel 23, Serial 3: „Das Urteil – Vorvoid Terror“ („Trial of a Timelord – Terror of the Vervoids“, 4×25 Minuten)

Der Doktor wählt zu seiner Verteidigung nun Ereignisse aus seiner Zukunft, die er selbst noch nicht kennt, in der Hoffnung, dass sie ihn besser darstellen. Doch auch bei diesen schleicht sich bald der Verdacht der Manipulation ein.

Die Inquisitorin des Gerichtes und der Doktor (Lynda Bellingham und Colin Baker, Foto: Pandastorm Pictures/BBC)
Die Inquisitorin des Gerichtes und der Doktor (Lynda Bellingham und Colin Baker, Foto: Pandastorm Pictures/BBC)

Gemeinsam mit seiner neuen Begleiterin, Mel, folgen beide einen Notruf des interstellaren Schiffes Hyperion III. Dieses wurde von den Vervoiden sabotiert, einer Spezies pflanzenartiger Humanoide, welche hier als Sklaven gehalten werden und nun gegen ihre Schöpfer aufbegehrten und diese auslöschen wollen. Dem Doktor gelingt es, sie aufzuhalten, indem er ihre Photosynthese soweit beschleunigt, dass sie alle aufgrund Altersschwäche sterben.

Der Ankläger sieht damit nun auch noch den Tatbestand von Genozid als erfüllt an.

Staffel 23, Serial 4: „Das Urteil – Der schlimmste Feind“ („Trial of a Timelord – The Ultimate Foe“, 2×25 Minuten)

Der Doktor und seine neue Begleiterin Mel (Colin Baker und Bonnie Langford, Foto: Pandastorm Pictures/BBC)
Der Doktor und seine neue Begleiterin Mel (Colin Baker und Bonnie Langford, Foto: Pandastorm Pictures/BBC)

Um die Behauptung des Doktors zu widerlegen, dass die Matrix der Zeit manipuliert wurde, wird der Hüter der Matrix vor das Gericht bestellt. Dieser bestreitet die Möglichkeit, immerhin habe er als Einziger den Schlüssel Rassilions, aber kurze Zeit später erscheint ein alter Feind des Doktors, der Meister, auf dem Bildschirm der Matrix und beweist damit, dass diese in der Tat manipuliert werden kann.

Es stellt sich heraus, dass die Geheimnisse, nach denen Sabalom Glitz suchte, tatsächlich die Datenbank der Matrix waren und von dem Hohen Rat der Zeitwanderer gestohlen worden sind. Sie waren es, welche die Erde zur Verwischung der Spuren in der Position im All verschoben haben. Und der Ankläger selbst stellt sich als Amalgam der bösen Persönlichkeiten des Doktors heraus, der vom dem Hohen Rat als Kompensation für seinen Verrat die verbliebenen Regenerationen des Doktors erhalten sollte.

Aber der Doktor hat abermals die Rechnung ohne den Master gemacht …

Das Valeyard-Paradoxon

Natürlich ist die große Frage, wie sich der Charakter des Valeyard (oder „Ankläger“, wie er nur im Deutschen genannt wird) sinnvoll in den aktuellen Kanon einfügen lässt. Immerhin haben wir mittlerweile den ~zwölften Doktor mit Peter Capaldi vor uns und entsprechend sollten wir nun auch böse Reinkarnationen des Doktors sehen, oder? Andererseits: Natürlich ist das hier eine Zeitreisegeschichte, bei denen das Universum mittlerweile auch mal neu gestartet wurde, Parallelwelten besucht wurden, und so weiter … ob man sich also wirklich darüber Gedanken machen sollte?

Der Ankläger/Valeyard (Michael Jayston, Foto: Pandastorm Pictures/BBC)
Der Ankläger/Valeyard (Michael Jayston, Foto: Pandastorm Pictures/BBC)

Aber selbst wenn man es macht: Die Behauptung, dass der Valeyard zwischen der zwölften und letzten Reinkarnation angesiedelt wäre, wird lediglich vom Master („Meister“) getroffen, welcher nicht unbedingt dafür bekannt ist, immer die genaue Wahrheit zu sagen. Auch macht der vermeintliche Plan des Valeyards nicht unbedingt soviel Sinn: Wenn er wirklich die verbliebenen Regenerationen des Doktors haben will, würde er damit nicht auch sich selbst und seine Existenz in ein Großvater-Paradoxon stürzen?

Bleibt letztlich die andere Aussage des Masters: Der Valeyard sei ein „Amalgam“ der Bösen Persönlichkeiten des Doktors. Vielleicht hat sich dieses Amalgam ja nur das Aussehen einer zukünftigen Regeneration geliehen? Das würde auch narrativ mehr Sinn machen (wenn auch das Großvater-Paradoxon nicht aufgelöst werden würde).

Unterstützung bekommt die Theorie allerdings durch den aktuellen Showrunner Moffat selbst. Dieser lässt die „Great Intelligence“ auf Trenzalore in der Episode „Der Name des Doktors“ behaupten, dass der Valeyard einer der zukünftigen Pseudonyme des Doktors sein wird.

Tatsächlich war für den Valeyard mehr Hintergrund geplant gewesen: Der Drehbuchautor Eric Saward hatte ursprünglich geplant, dass er sogar die finale Reinkarnation des Doktors sei, die keine Regenerationen mehr hatte und nun verzweifelt nach einem Weg suchte, weitere zu bekommen – eine Motivation, die auch den Master eins angetrieben hatte. Aber hiergegen sprach sich der damalige Produzent John-Nathan Turner entschieden aus, aus Angst, die Serie könnte sonst ein klares Ende bekommen und so die Gefahr laufen, irgendwann abgesetzt zu werden.

Letztlich ist damit noch immer nicht aufgelöst, ob wir den Valeyard nicht doch ein weiteres mal zu Gesicht bekommen werden in der Serie …

Ein klassisches Ende

Mit „Das Urteil“ geht auch Colin Bakers Zeit als sechster Doktor zu Ende. Ihm wurde zwar angeboten, ein letztes Serial zu haben, aber er lehnte ab, weswegen auch seine Regeneration nicht durch Ihn gedreht wurde. Ihm folgte Sylvester McCoy (s. „Der siebte Doktor Vol. 1“).

Artwork der DVD-Box (Foto: Pandastorm Pictures)
Artwork der DVD-Box (Foto: Pandastorm Pictures)

Die Idee, eine komplette Staffel mit einer Story zu füllen, war damals neu im Whoniversum und ist auch (abgesehen von der dritten und vierten Staffel von Torchwood und diversen Metaplotebenen bei New Who) bisher nicht wieder so umgesetzt worden. Es fällt daher auch schwer, die Serials einzeln zu bewerten, denn auch obwohl einzelne Bestandteile etwas zu lang ausgewalzt werden ist es doch die gesamte Story, welche insgesamt (trotz aller Who-typischen Logikfehler) einen soliden und interessant konstruierten Handlungsbogen zeigt. Vor allen kann Colin Baker hier endlich beweisen, dass sein oft (auch von mir) kritisierte Ansatz des moralisch ambivalenten Doktors doch sehr interessant ist und er dem Charakter des Doktors, trotz des bunten Clownkostüms, einige eigene Facetten abgewinnen kann. Wenn Capaldi also in der aktuellen Staffel fragt: „Bin ich ein guter Mensch?“ bringt gerade Bakers Interpretation hier ordentlich Gravitas für diese Frage mit.

Mit „Der sechste Doktor, Volume 3“ sind aber auch die deutschen Veröffentlichungen der klassischen Doctor Who-Episoden leider an ein Ende angekommen. Weitere Episoden sind schlichtweg bisher nicht synchronisiert worden und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sie dies noch werden. Pandastorm Pictures ist aber auch zum Abschluss hier wieder eine tolle und liebevolle Veröffentlichung gelungen, auf fünf DVD-Scheiben bietet es abermals alle Specials der UK-Veröffentlichungen und geben abermals großartige Einblicke in die Produktionsbedingungen der damaligen Zeit und warum Doctor Who zwischen der Ära Davidson und Baker über ein Jahr pausierte. Abermals gibt es auch ein sehr informatives Booklet, mit Einleitungen von Colin Baker und Nicola Bryant und sogar einem Interview mit dem Synchronssprecher der damaligen Doktoren, Michael Schwarzmaier.

★★★★☆

„Doctor Who: Sechster Doctor Volume 3“ erschien am 29.07.2016 bei Pandastorm Pictures auf DVD. Offenlegung: Ich habe die DVD-Box freundlicherweise als Rezensionsexemplar erhalten.

Ron Müller

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docron.de

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