Der junge Bastian findet auf der Flucht vor ein paar Bullys in einem alten Antiquariat ein Buch namens Die unendliche Geschichte. Mit diesem verkriecht er sich auf dem Dachboden seiner Schule, und liest die Geschichte von Atréju. Ein junger und unwahrscheinlicher Held, der die kranke kindliche Kaiserin von Phantásiens retten muss. Dafür muss er bis an die äußersten Enden ihres Reiches reisen und nicht nur gegen giftige Monsterspinnen und riesige alte Schildkröten sich durchsetzen, während Bastian durch seine Fantasie mehr und mehr in das Buch eintaucht.
Eine sehr persönliche unendliche Geschichte
Als ich vor langer langer Zeit das Lesen erlernte, war ich endlich frei von all dem Vorgelesenen-Werden durch meine Eltern. Endlich konnte ich selbst frei aussuchen, was ich lesen wollte und musste nicht mehr verhandeln. Und relativ früh prägte mich tatsächlich eine Lust auf das Fantastische. Gut, ehrlicherweise erst nachdem ich davon nachts nicht mehr ständig Albträume bekam. Wie auch immer – fantastische Bücher waren es und bevor ich von meinem mittleren Bruder zur Science Fiction konvertiert wurde, waren es natürlich die Standardwerke von Astrid Lindgren, Wolfgang und Heike Hohlbein, Max Kruse und, natürlich, Michael Ende.
Das Grande Opus von Ende ist und bleibt die Unendliche Geschichte. Allein ein Buch in der Hand zu halten, das über das Wechseln in die Welt eines Buches berichtete war schon faszinierend. Noch dazu war es in zwei Farben (Rot für die Welt von Bastian und Grün für die Welt von Phantasien) gedruckt, was mich damals unheimlich faszinierte. Kurz: ich habe das Buch geliebt. Und mich tierisch geärgert, als es einige Flecken abbekam, als ich unvorsichtig mit einem Stempelkissen herumspielte.
Die Unendliche Geschichte wurde dann verfilmt und als achtjähriger lief ich begeistert ins Kino um das erste mal völlig entgeistert wieder herauszukommen. Dass Buchadaptionen nicht so einfach sind, habe ich damals gelernt – und auch, wie leicht man sich in Rage über einen Film bringen kann, in den man so viel Hoffnung gesetzt hatte*. Noch schlimmer wurde es aber später mit den Fortsetzungen, die einfach unerträglich dumm sind.
Hier klicken, um den Inhalt von X anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von X.
Meine Eltern hatten aber mit all dem Vorlesen bei mir nicht nur Lust aufs Selberlesen, sondern auch eine Faszination für Hörspiele und -bücher geweckt. Irgendwann hatte ich meinen ersten Kassettenrekorder und bekam dafür dann auch das dreiteilige Hörspiel von „Die unendliche Geschichte“ geschenkt. Ich habe es ich-weiß-nicht-wie-oft hoch- und runtergehört damals.
Liebevolle Neuinszenierung
Als dann 2014 eine Neuinszenierung des Stoffes durch den WDR als Hörspiel erschienen ist und von vielen Seiten sehr gelobt wurde, war meine Neugierde geweckt. Unter anderen auch durch den Hörbuchpreis, der das Werk 2016 in seiner Kategorie „Bestes Kinderhörbuch“ auszeichnete. Dennoch hat es einige Zeit gebraucht, bis ich mich wieder daran getraut hatte. Zu stark war die Angst, dass ich etwas aus meiner Kindheit zu sehr verklären würde. Zu stark war die Befürchtung, dass all die Star-Power der Aufnahme den Stoff ähnlich kaputt machen würden, wie die Filmversion von Die unendliche Geschichte.
Aber, um es gleich zu sagen: Meine Sorgen waren unnötig. Da ist eine wirklich einfühlsame und fantastische Neuinszenierung gelungen (einige faszinierende Video-Einblicke, unter anderen über den Geräuschemacher, gibt es beim WDR). Mit gleich zwei Erzählern schaffen sie dabei den Kniff, die zwei Buchdruckfarben auch akustisch zu trennen: Anna Thalbach („Der Untergang“) für die Welt von Bastian, also dem Rotdruck im Buch. Und dann Hans Kremer, der deutschen Stimme von Michael Caine, für die Welt von Atréju, also dem Gründruck im Buch.
Dazu haben sie für die beiden Protagonisten Bastian und Atréju auch tatsächlich zwei Kinder (Benny Hogenacker und Finn Oleg Schlüter) als Sprecher gecastet, die ihre Sache wirklich gut machen. Darüber hinaus sind mit Mechthild Großmann („Nirgendwo in Afrika“), Dennis Moschitto („Chiko“), Oliver Stritzel („Das Boot“) oder Manon Straché („Lindenstraße“) einige Schwergewichte der deutschen Synchron- und Hörspielsprecher mit dabei. Und die Liste geht immer weiter, so weit, dass sogar ein Sprecher wie Jens Wawrczeck (Peter Shaw in „Die drei ???“) tatsächlich nur in einer kleinen Nebenrolle auftaucht*.
* Was mich ehrlicherweise etwas irritierte, da ich durch die bekannte Stimme automatisch davon ausging, dass seine Rolle natürlich wichtiger werden würde, obwohl meine Erinnerung an die Geschichte eigentlich anderes annahm. Hätte gleich auf meine Erinnerung hören sollen.
Aber auch die restliche Inszenierung kann man nur loben. Sorgsam manuell erstellte Toneffekte, schöne musikalische Stücke zur Auflockerung und eine tolle Abmischung des Ganzen sorgen für viel Hörgenuss.
Die universelle Botschaft funktioniert immer noch
Was mir dabei besonders aufgefallen ist, ist, wie gut diese Geschichte auch nach all den Jahren heute noch funktioniert. Die Flucht des jungen Bastian vor ein paar Rowdies auf den Dachboden der Schule würde heute zwar durch Handys und Bewegungsmelder vielleicht etwas anders ablaufen müssen. Aber alles andere ist immer noch stimmig und vermutlich für heutige Kinder noch immer genauso gut nachvollziehbar.
Dazu kommt die zeitlose Geschichte über die zerrüttete Beziehung zwischen Sohn und Vater nach dem Verlust der Mutter und der großen Leere, die diese im Leben beider hinterlassen hat. In dieses Nichts springt Bastian und tritt damit eine Heldenreise an, bei der er Stück für Stück sich selbst demontiert um am Ende sich selbst, und die Liebe seines Vaters zu erkennen. Viel wunderbarer ist dabei, dass er dazu erst durch eine andere Heldenreise – die von Atréju – inspiriert werden muss, um diesen Schritt ins Unbekannte zu machen.
Letztlich ist die Unendliche Geschichte eine universelle Lobeshymne auf die Fantasie. Und dieses Hörspiel beflügelt diese wieder.
[wertung img="https://edieh.de/wp-content/2017/05/51op5sjgdil.jpg" stars="5"]„Die unendliche Geschichte“ (Hörspiel von 2014)
Regie: Petra Feldhoff
Erzähler: Anna Thalbach, Hans Kremer
Sprecher: Benny Hogenacker, Finn Oleg Schlüter, Mechthild Großmann, Dennis Moschitto, Oliver Stritzel, Manon Straché, Jens Wawrczeck und viele andere [/wertung] Dieser Beitrag entstand redaktionell unabhängig mit freundlicher Unterstützung von Audible, dort gibt es das Hörspiel natürlich auch.