Kurze Erinnerung: im Jahre 2000 startete Wizards of the Coast (WotC) D&D 3. Nichts allzu spektakuläres, war das System doch vorher bereits äußerst populär und neue Versionsnummern im Rollenspielsektor sind auch nix neues. Aber kurz später kam etwas neues: mit der Open Gaming License dem „d20 System“ konnten plötzlich dritte an dem Erfolg von D&D profitieren und selbst Material herausbringen, zwar nach strengen Regeln aber allgemein frei von Lizenzzahlungen an WotC.
Die Folge: der Markt an weiteren Produkten, die mit D&D kompatibel waren, explodierte nach geraumer Zeit förmlich. Selbst für eher unbeliebte Charakterklassen gab es plötzlich zig Zusatzbücher und auch diverse andere Settings wurden mit dem d20-System bespielbar. An sich fand jedes Genre eine Adaption, auch die kleinste Nische wurde besetzt (wobei ich über d20 Afghanistan noch heute die Stirn runzeln muss).
Einzig Deutschland blieb größtenteils davon verschont. Leider. Denn es gab nie eine offizielle Übersetzung, da erst Amigo und später Feder & Schwert (sicherlich rechtmäßig) ihre Übersetzungsleistungen nicht einfach freigeben wollten. Dazu kamen diverse durchaus als extrem unglücklich zu bezeichnende Verzögerungen der Veröffentlichungen (z.B. vom Monsterhandbuch und den Neuauflagen). Zeitweise war es einfach nicht möglich, eine deutsche Übersetzung des Materials überhaupt neu zu kaufen – auf eBay explodierten die Preise entsprechend.
Kurz vor der Zwischenversion 3.5 wechselte die Lizenz von Amigo-Spiele zu Feder & Schwert. Der Verlag hat sich sicherlich alle Mühe gegeben und für D&D wirklich viel übersetzt und herausgegeben – aber der Schaden war schon da. Und eine deutsche Übersetzung des SRD, des „System Reference Documents“, das alle wesentlichen Regeln aufzeichnete und das Herzstück der d20-System Richtlinie darstellte, war letztlich aus den oben angeführten Copyright-Gründen für die deutsche Übersetzung immer noch nicht möglich.
Acht Jahre sind ins Land gegangen und nun hat Feder & Schwert sich in dieser Hinsicht endlich offen gezeigt (was man grundsätzlich sehr begrüßen sollte). Aber es ist eigentlich schon längst zu spät dafür, sich überhaupt die Mühe zu machen, die SRD zu übersetzen. Denn gestern kündigte WotC auch offiziell an, dass sie für das im Juni erscheinende D&D 4.0 wieder eine ähnlich offene Lizenzpolitik fahren werden. Sie wird „Dungeons & Dragons 4E Game System License“ heißen (kurz „D&D 4E GSL“) und zusammen mit einer weiteren Lizenz für Nicht-Fantasy-Settings namens „d20 Game System License“ („d20 GSL“) die alte d20 System Lizenz ersetzen.
Es stellte sich länger die Frage, ob eine solche Lizenz sich überhaupt lohnt. Immerhin gibt man ein Teil der Grundarbeit, also das Basisgerüst eines Rollenspielsystems quasi für nix her und erlaubt anderen, auf dieser Arbeit einfach aufzubauen. Aber WotC, bzw. deren Mutterkonzern Hasbro, leisten sich diesen scheinbaren Luxus bzw. haben gelernt, dass sie damit in der Tat sehr viel besser fahren, als ohne. Die Überlegung ist auch eigentlich einfach: in welches System investiert ein Rollenspieler eher? In das System, dessen Weiterentwicklung lediglich von den Verkaufszahlen einer einzigen Firma abhängig ist und das jeden Moment daher tot umfallen kann? Oder in das System, dass viele Firmen beständig weiterentwickeln?
Ich hoffe wirklich, dass sich dieses Modell auch zukünftig weiter fortsetzen wird. Kleine Nachahmer (z. B. Mutants & Masterminds) gibt es ja bereits. Was könnte man alles anstellen mit einer offenen Lizenz für das Storytellersystem der Welt der Dunkelheit? Oder für das Roll&Keep System von Siebte See? Oder für [hier Lieblingssystem einsetzen]?
3 Antworten
Bin gespannt den genauen Wortlaut der GSL zu lesen, also zu erfahren worin der unterschied zu OGL bestehen wird. Und ob es diesmal auch in Deutschland D20 Produkte geben wird, oder wie schnell F&S die Sachen übersetzen wird.
Muß ansonsten sagen das es mich nicht stört das es das Storytelling System von White Wolf oder das Roll&Keep System von Alderac (welches in 7th Sea noch lange nicht so ausgereift war wie in L5R 3rd Edition) in einer allgemein nutzbaren Variante gibt.
Tja, was soll man zur GSL sagen… ich bin so mittelmäßig begeistert. Vor allem ist krass, dass man die GSL auf keinen Fall mit der OGL mischen darf, d.h. wenn jemand etwas unter der GSL veröffentlicht, darf er es nicht mehr (auch nicht in einer anderen Version!) unter der OGL anbieten. Sprich: Gibt es jetzt eine Spielhilfe unter der OGL für D&D 3.5, so darf sie nicht mehr vertrieben werden, sobald sie auf 4.0 und die GSL aktualisiert wurde. Dies alles dient natürlich dazu, die Leute zur 4.0 zu treiben.
Das ist natürlich ziemlich krass, stimmt. Ich kann es aus wirtschaftlichen Gründen vielleicht noch nachvollziehen, aber es heißt ja übersetzt: Einmal auf 4.0/GSL geht kein Weg mehr wieder zurück.
Andererseits bedeutet es aber irgendwie auch, dass man nicht so leicht die gleiche kreative Leistung in zwei Schläuchen serviert bekommt. D.h. die gleiche Settingbeschreibung nur mit neuem Regel-Crunch werden wir dann seltener sehen, solange die alte noch auf dem Markt ist und sich verkauft. Oder verstehe ich das jetzt falsch?