In der Coal Hill Academy hat sich ein Riss in eine andere Wirklichkeit gebildet, durch die brutale Aliens in unsere Realität durchdringen. Normalerweise ein klassischer Job für den Doktor und seine Companions. Da dieser aber gerade keine an seiner Seite hat (siehe Ereignisse in Doctor Who Staffel 9), rekrutiert er kurzerhand eine Gruppe Schüler sowie eine Lehrkraft in den Konflikt. Nicht ahnend, was er damit bei dieser Truppe damit auslösen wird …
Ein neues „Doctor Who“-Spin-Off
„Class“ ist das neueste Spin-Off aus dem „Doctor Who“-Universum. Nach den bisherigen Versuchen, die langlebige Familien-Sci-Fi-Serie mit „Torchwood“ um Erwachsene und mit „The Sarah Jane Adventures“ oder „K-9“ um nur Kinder zu erweitern, zielt diese Serie nun konsequenterweise auf Junge Erwachsene. Also der Gruppe, deren Bezeichnung mittlerweile ein ganzes literarisches Genre prägen: „Young Adults“. Praktischerweise ist auch der junge Kanal der BBC, BBC Three (der mittlerweile nur noch online existiert) genau auf diese Zielgruppe ausgerichtet. Und so hat die BBC mit dem erfolgreichen Jugendbuchautoren Patrick Ness als Showrunner eigentlich etwas eingetütet, dass problemlos hätten laufen sollen. Bereits zu Beginn hat die BBC auch gleich drei Tie-In-Books herausgegeben, einer Erweiterung der Mutter-Serie stand theoretisch nichts mehr im Weg. Zumal sie auch gleich Schützenhilfe durch einen Gastauftritt des Doktors bekommen sollte und an eben den fiktionalen Ort spielen sollte, der in „Doctor Who“ immer schon eine große Rolle spielte.
Aber dann kam eine Serie an, die vom Anfang an nicht weiß, was für ein Genre sie eigentlich besetzen will. Geht es um Teenager-Angst? Um Coming-of-Age? Um Abenteuer in Raum und Zeit? Zeitweise wurde „Class“ gar als „britisches Buffy“ gehypt. Aber das passt alles nicht wirklich: „Class“ ist eigenes Ding. Und das funktioniert in einigen Richtungen auch gut – aber gerade beim Ensemble klemmt es dann doch etwas.
Zwei fünfte Räder
Dabei gibt sich die Serie auch dort experimentierfreudig. Es gibt einen schwulen Hauptcharakter, der seinen Freund bei sich zuhause Zuflucht bieten kann und deren beider Beziehung erfreulicherweise die meisten typischen solcher Klischees auslässt – auch und gerade weil er ein außerirdischer Prinz ist. Es gibt den Sportler, der gleich von Anfang an durch eine plötzliche Behinderung eine interessante Entwicklung durchmacht und daran wächst – auch und gerade in der Beziehung zu anderen. Und es gibt mit Quill, der Lehrerin und Beschützerin des Prinzen, einen überraschend vielschichtigen Charakter, die als versklavte Kriegerin zwar meist gnadenlos handelt aber, angetrieben von ihrer Rache, letztlich gar nicht merkt, wie sehr ihr die Kids ans Herz wachsen.
Die Hauptaspekte der Charaktere:
- Charlie (Greg Austin) – Stocksteifer Prinz zwischen verlorenen Untertanen und seiner Liebe
- Ram (Fady Elsayed) – Dad will, dass ich Fußballstar werde – nicht nur mein verlorenes Bein spielt da aber nicht so richtig mit
- April (Sophie Hopkins) – Teilt ihr Herz mit allen und jeden
- Miss Quill (Katherine Kelly) – Ex-Freiheitskämpferin darf nicht ihren Aggressionen nachkommen
- Tanya (Vivian Oparah) – Resident Nerd in Großfamilie
Aber dann gibt es gleich auch noch zwei fünfte Räder am Wagen: die überintelligente Tanya, die lediglich in der Folge „Nightvisiting“ etwas mehr zu tun bekommt und ansonsten nur von einer zur nächsten Szene stolpern darf. Und, am schlimmsten, April, welche von Anfang an einen unmöglichen Twist aufgedrückt bekommt. Einen Twist, den sie die gesamte Serie nicht auflösen kann und der leider den Haupthandlungsbogen berührt, nein, der er ist. Es gibt hier kein Wachsen des Charakters, keine Entwicklung und noch dazu endet der Handlungsstrang, der immerhin vier der acht Episoden ausfüllt, mit einen unnötigen Deus-ex-Machina-Moment, der nur noch weitere Cliffhanger produziert. Wirklich interessante Konsequenzen werden nicht ausgeleuchtet, und so bleibt den Charakteren außer Leiden nicht viel zu tun.
Gute Episoden, schlechte Episoden
Dennoch sind einige der Episoden von „Class“ wirklich gut. Besonders „Nightvisiting“ und „Detained“ bieten einiges an kreativen Ideen auf und erinnern in vielen Aspekten positiv an „Conversations with Dead People“ aus „Buffy“, respektive an den „The Breakfast Club“. „The Metaphysical Engine, or what Quill did“ bietet für das Budget wirklich gute Spezialeffekte und gleichzeitig auch noch eine ordentliche Story, und „The Coach with the Dragon Tattoo“ etabliert, dass die Serie durchaus auch solide Monster-of-the-Week-Episoden bieten kann.
Eigentlich hätte es den Anschub, den der Doktor in der ersten Episode mit seinem kurzen Gastauftritt geben darf, gar nicht gebraucht. Im Gegenteil: Es schränkt die Serie in ihrer Mythologie ein, denn ständig fragt man sich, ob nicht gleich wieder der Doktor um die Ecke kommen wird. Und in der Pilotepisode selbst wirkt er wie eine Beigabe, die eigentlich gar nicht so richtig reinpasst und den ohnehin schon ziemlich gehetzten Infodump nur noch verschlimmert. Die Serie hat durchaus einiges an eigenes Potenzial, dass den Doktor gar nicht gebraucht hätte. Aber das wird ausgerechnet in den Plots von Showrunner Patrick Ness selbst ignoriert.
Die Episoden im Einzelnen:
1x01 „For Tonight We Might Die“/„Die Nacht der Schatten“ ★★★☆☆ 1x02 „The Coach With The Dragon Tattoo“/„Blutige Anfänger“ ★★★☆☆ 1x03 „Nightvisiting“/„Nächtlicher Besuch“ ★★★★★ 1x04 „Co-Owner of a Lonely Heart“/„Das Teilen eines einsamen Herzens“ ★★☆☆☆ 1x05 „Brave-ish Heart“/„Bluthunger“ ★★☆☆☆ 1x06 „Detained“/„Wilde Wut“ ★★★★☆ 1x07 „The Metaphysical Engine, or What Quill Did“/„Ein metaphysischer Ausflug“ ★★★★☆ 1x08 „The Lost“/„Die Verlorenen“ ★★☆☆☆
Wird es eine zweite Staffel von „Class“ geben?
Eine Serie, die zunächst nur über den BBC iPlayer (die Mediathek der BBC) im Wochentakt abrufbar war, hat es natürlich schwer, ordentliche Quoten zu erreichen. Auch die spätere Ausstrahlung auf BBC One blieb hinter den Erwartungen zurück. Sie konnte auch nicht das Momentum einer internationalen Ausstrahlung nutzen oder gar aufbauen: Ausgerechnet BBC America hielt die Serie lange zurück und strahlte sie erst jetzt parallel zu neuen Episoden von Doctor Who aus. Monate später als in den UK oder auch Kanada. Selbst in Deutschland bekamen wir sie bereits über die Funk-App, respektive über ARD One zu sehen. Und die aktuellen Quoten in den USA sind leider auch eher durchwachsen.
Die Vorzeichen stehen also nicht so gut für eine weitere Staffel von „Class“. Aber noch ist die Entscheidung dazu nicht gefallen: Showrunner Patrick Ness ist noch optimistisch und bezeichnete die erste Staffel vor allen als „Aufbauarbeit“. Die ist sicherlich noch nicht abgeschlossen, rund lief die erste Staffel nämlich vor allen in seinen eigenen Episoden nicht wirklich. Dennoch: Letztlich würde ich mich tatsächlich freuen, mehr von Miss Quill zu sehen.
[wertung img="https://edieh.de/wp-content/2017/05/class_s1_bd_2d_01.jpg" stars="3"]„Class“ – Staffel 1
Showrunner: Patrick Ness
Darsteller: Greg Austin, Fady Elsayed, Sophie Hopkins, Katherine Kelly, Vivian Oparah
Extras: Making Of, Deleted Scenes, Outtakes, Trailer. Über 60 Minuten Material, angeblich sogar mehr als auf der UK-Veröffentlichung.
Rollenspiel-Inspirationsfaktor: Buffy liefert hier deutlich mehr Stoff, allerdings hatte auch Buffy am Anfang Anlaufschwierigkeiten. Die Idee einer Urban (Science-)Fantasy-Runde an einer Schule war und ist aber ausbaufähig. [/wertung]
„Class“ erscheint am 24.05.2017 auf Blu-ray und DVD bei Polyband. Offenlegung: Ich habe die Blu-ray freundlicherweise als Rezensionsexemplar erhalten.