Science Fiction Masterklasse – „The Expanse“ (Blu-ray-Kritik)

In gut zweihundert Jahren ist unser Sonnensystem von der Menschheit besiedelt worden. Die überbevölkerte Erde ist erst zum Mond, dann zum Mars und auch zum Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter aufgebrochen und hat dort neue Siedlungen errichtet, in denen mittlerweile bereits Generationen leben und arbeiten. Im Asteroidengürtel nennen sich die dort geborenen Menschen nun Gürtler, viele haben sich der Umgebung deutlich angepasst und sind physiologisch kaum in der Lage mit größeren Gravitationen wie die der Erde noch zurechtzukommen. Der Mars hat sich unterdessen von der Erde losgesagt und hat stark militärisch aufgerüstet. Sowohl Mars, als auch Erde sind aber von den Ressourcen der Gürtler abhängig. Die Eskalation zwischen den Parteien wird zusätzlich von weiteren Separatisten nur noch weiter angefacht …

The Expanse Staffel 1 | Trailer deutsch german HD | Sci-Fi Serie

In dem Pulverfass der Ceres-Station im Gürtel ist Joe Miller (Thomas Jane) so etwas wie ein privatwirtschaftlich angestellter Gesetzeshüter, der mit allerlei Bestechungen und Nebenjobs recht passabel über die Runden kommt – dabei aber nur wenig Freunde hat. Inoffiziell bekommt er den Auftrag, die junge Juliette Andromeda Mao ausfindig zu machen, eine aus reichem Haus stammende junge Rebellin, welche verschwunden scheint.

Die verschwundene Julie Mao (Florence Faivre, Foto: Pandastorm Pictures)

Gleichzeitig empfängt der Eisfrachter Canterbury einen Notruf, dem sie widerstrebend nachgehen und unter der Führung von Offizier James Holden (Steven Strait) untersuchen. Immer im Bewusstsein, dass dies auch eine Falle sein könnte. Und auf der Erde schreckt die Stellvertretende Unterstaatssekretärin Chrisjen Avasarala (Shohreh Aghdashloo) auch nicht vor Folter zurück, um aus den Separatisten Informationen herauszubekommen.

Game of Thrones im Weltraum

„The Expanse“ will ein komplexes Epos in der Art eines „Game of Thrones“ in einem Science-Fiction-Setting erzählen. Die Bücher, auf denen die Serie basiert, und von denen es mittlerweile bereits sechs Bände gibt, stammen von Daniel Abraham und Ty Franck, welche sie unter dem gemeinsamen Pseudonym James S.A. Corey verfasst haben. Die Autoren arbeiteten tatsächlich bereits vorher schon im Umfeld von „Game of Thrones“-Erschaffer George R.R. Martin, und haben von diesem durchaus die Komplexität und das erschaffene Universum übernommen. Nicht aber das Arbeitsethos – sie kommen in etwa auf ein weiteres Buch pro Jahr.

Waren bis vor ein paar Jahren einfach nicht in einem TV-Budget drin: Komplexe Außenszenen im Weltraum (Foto: Pandastorm Pictures)

Dabei schafft die Serie diesen selbst gesetzten Anspruch durchaus gut umzusetzen. Die Serienmacher von „The Expanse“ nehmen sich ebenfalls wie die vom großen Vorbild „Game of Thrones“ die Freiheit, Teile der Bücher neu zu mischen – Unterstaatssekretärin Avasarala taucht in den Büchern beispielsweise eigentlich erst im zweiten Band auf, eine Entscheidung die aber für die Umsetzung sehr viel mehr Sinn macht. Aber: sie schaffen es auch genauso, diejenigen, welche mal kurz nicht aufgepasst haben, maßlos zu verwirren. „The Expanse“ ist mit Sicherheit kein einfaches „Bügelfernsehen“, das man mal eben nebenbei laufen lassen kann. Man muss die Serie konzentriert gucken. Dann wird man aber auch reichlich belohnt.

Schwereloser Sex

„The Expanse“ gilt bei vielen als Hard SciFi, was sie auf dem ersten Blick auch ist. Es gibt hier kein Beamen, keine Töne im Weltall, keine überlichtschnelle Technologie – stattdessen vor allen Realismus durch die kalte Brutalität des Weltalls. Was umgekehrt auch bedeutet, dass die Fernsehmacher zugegebenermaßen hier recht schnell an das Produktionslimit stoßen – es ist eben dann doch etwas zu teuer, jede zweite Szene in Schwerelosigkeit zu inszenieren, weshalb bald Magnetschuhe dominieren. Und die Serie weiß auch durchaus aus den Hard-SF-Tropes auszubrechen und in wundersame technologische Sphären vorzudringen, die man auf den ersten Blick nicht richtig verstehen kann.

Der Jon Snow von „The Expanse“: James Holden (Steven Strait, Foto: Pandastorm Pictures)

Die Serie erzählt dabei ihre Handlungsebenen über weite Strecken separat voneinander, es dauert lange, bis die ersten Hauptprotagonisten überhaupt aufeinander treffen. Schwer hat man es auch, sich die Charaktere zu erschließen, denn es sind ebenfalls komplexere Menschen, in vielen Punkten sogar sehr unsympatisch. Am einfachsten geht das vielleicht noch mit Holden, der nicht nur durch seinen dunklen Lockenkopf und seinen Waschbrettbauch an Jon Snow erinnert (nur seine Sexszenen dürfen hier halt bei Schwerelosigkeit statt in warmen Quellen stattfinden). Avasarala nimmt einen zunächst weniger durch ihre Handlungen als durch das schiere Charisma von der iranisch-stämmigen, Emmy-prämierten Schauspielerin Aghdashloo ein. Und Miller ist vordergründig einfach ein riesiges Arschloch und durch den im Buch präsenten, aber in der Serie fehlenden inneren Monolog der Figur bleibt er es auch lange.

Promenade im Gürtel (Foto: Pandastorm Pictures)

Ich kann verstehen, wenn man sich mit der Serie schwer tut. Aber ich kann nicht verstehen, wenn man ihr keine Chance gibt, denn gerade für einen Science-Fiction-Fan ist diese Serie momentan eine der absolut besten Serien, die derzeit laufen. Und man wird von unvorhergesehenen aber dennoch logischen und vorweg aufgebauten Wendungen belohnt. Der US-Sender SyFy hat hier seinen nach der Umbenennung vom „SciFi Channel“ lange verloren geglaubten Anspruch endlich wiedergewonnen. Eine zweite Staffel lief in diesem Frühjahr drüben in den USA und feierte ihre Deutschlandpremiere bereits im Herbst auf Netflix. Erst die jetzt endlich vorliegende Blu-ray bringt jedoch das wirklich brillante Bild auf den Bildschirm.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
docron.de

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