Neue Staffel, neuer Showrunner, neue Hauptdarstellerin. Doch erstmal die Folgen:
Die neuen Episoden
Die Kurzkritiken wurden jeweils nach Erst-Sichtung der Episoden geschrieben.
11x01: „Die Frau, die zur Erde fiel“ („The Woman Who Fell to Earth“)
Das war … sehr anders. Sehr viel dunkler, und etwas gruseliger. Und doch waren die typischen Tropes von Doctor Who dominant da. Jodie Whittaker scheint zwar in die Rolle reinkatapultiert zu sein aber sie doch von Anfang an zu beherrschen. Dabei bedient sie sich viel bei Tennants Zehnten. Lediglich die Credits am Anfang habe ich doch vermisst, dafür gefiel mir die neue Musik, und speziell Whittakers Theme spontan sehr. Ja, so kann das gerne weitergehen.
11x02: „Das Geistermonument“ („The Ghost Monument“)
„See? Brains beat Bullets!“
Nach einer schnellen Rettung im Weltraum ist auch das Team schnell wieder zusammen um dann nicht nur an einem Rennen teilzunehmen sondern auch noch einen Plot aufzuwärmen, der sehr an Classic-Who erinnert: Auf einem Waffentest-Planeten müssen sie überleben und entkommen. Das war es auch schon. Immerhin sehen wir den neuen Vorspann (auch der sehr klassisch anmutend) und die neue Tardis, bei der ich noch nicht weiß, was ich von ihr halten soll – sehr düster, aber immerhin hat sie einen Vanille-Creme-Kekse-Spender eingebaut.
Die zweite Episode hängt zwar allgemein ziemlich durch, aber die insgesamte Dynamik der Gruppe gefällt mir dennoch immer noch. Und das neue Mysterium „The Timeless Child“ ist hoffentlich nicht nur ein MacGuffin.
11x03: „Rosa“ („Rosa“)
In der letzten Staffel von Capaldis zwölften Doctor sah man bereits viele Rückbezüge auf die klassische Doctor Who-Ära. Aber es ist tatsächlich hier in der Chibnall-Ära, dass wirklich endlich wieder mit einem wirklich klassischen Element gearbeitet wird: „Rosa“ ist ein klassisches Lehrstück über die Geschichte. Etwas, dass gerade unter dem ersten Doctor immer wieder ein starker Fokus war. Hier über die wichtige Geschichtsfigur Rosa Parks, welche um die Rechte farbiger Amerikaner ihr Leben lang kämpfte und durch eine für uns heutzutage scheinbar simple Geste eine Revolution vielleicht erst möglich machte. Der Subplot mit einem anderen Zeitreisenden (dargestellt von Josh Bowman, der spaßigerweise auch in der kurzlebigen Zeitreise-Serie „Time after Time“ mitspielte) gerät zur Nebensache, der Fokus liegt ganz auf der „Gang“, die hier gerade durch ihre Heterogenität in Gefahr und in den Plot gerät. Ja, eine imposante Folge.
11x04: „Spinnefeind“ („Arachnids in the UK“)
Die Achterbahnfahrt geht weiter: Nach einer großartigen Folge letzte Woche haben wir hier einen simplen Monster-der-Woche-Plot mit einem etwas arg überpädagogischen Anti-Schusswaffen-Stigma. Ja, „Doctor Who“ kann gerne bisweilen pädagogisch sein, aber dies war einfach paddelig ausgeführt: Das schnelle Töten eines mutierten und leidenden Tieres wird als grausam dargestellt. Und das ohne eine humanere Alternative auch nur zu erwähnen, welche der Doktor sicherlich parat haben sollte. Und auch der Hotelmagnat-zukünftige-Präsident-der-USA war einfach extrem überzogen. Lediglich die sich weiter anbahnende Freundschaft zwischen dem Doktor und ihrer Crew war ein kleiner Lichtblick in einer ansonsten miserablen Episode.
11x05: „Das Tsuranga-Rätsel“ („The Tsuranga Conundrum“)
Wieder etwas höher, aber nicht viel. Erinnert sich noch jemand an Nibbler aus Futurama? Vermischt mit dem Gremlin aus der Twilight Zone, der William Shatners Flugzeug anknabbert entsteht eine wirklich spaßige, wenn auch wenig innovative Idee für eine Doctor Who-Episode. Aber das alles wird nicht nur durch das knuddelige Kreaturendesign (gibt es davon welche in Plüsch zu kaufen?), sondern auch durch die gelungene Figurenkonstellation aufgewogen, die auf dem Krankenhaus-Schiff unterwegs sind. Diese ist tatsächlich auch nach einem klassischen Krankenhaus-Drama strukturiert: Tod auf der einer Seite, neues Leben auf der anderen, und Hoffnung dazwischen.
11x06: „Dämonen in Punjab“ („Demons of the Punjab“)
Es ist lange her, dass ich bei Doctor Who etwas ins Auge bekommen haben muss. Diese Folge hat mich aber tatsächlich erwischt, auch wenn das eigentliche Plot-Device quasi das gleiche ist, dass bei der letzten Weihnachtsepisode angewandt wurde. Durch die persönliche Familiengeschichte von Yaz und die historische Verbindung zu einen tatsächlichen blutigen Konflikt wunderte ich mich dann doch aber etwas, dass Yaz selbst davon offensichtlich so wenig wusste und sie dies nicht gleich einordnen konnte. Dennoch: Wundervolle und bisher beste Episode dieser Staffel, auch durch die tolle Arbeit mit der Musik und der schönen Ansprache des Doktors.
11x07: „Frei Haus“ („Kerblam!“)
Man nehme ein SciFi-Setting, das Ideen unserer Zeit weiter spinnt und dabei durchaus die eine oder andere Überraschung noch in petto hat. Man erhält eine Episode, die so auch direkt mit jedem anderen Doktor funktioniert hätte. Das ist an sich nichts schlechtes, im Gegenteil, halt das klassische Doctor Who-Rezept. Bisweilen braucht man einen solchen Snack.
11x08: „Die Hexenjäger“ („The Witchfinders“)
Wenn ich richtig aufgepasst habe, ist dies tatsächlich die erste Episode, in der das Geschlecht des Doktors eine Rolle gespielt hat, oder? Abermals verschlägt es die Gang in ein real-historisches Setting, diesmal aber mit einem übernatürlichen Twist, der mit viel Technobabbel zu einem außerirdischen erklärt wurde. Durch das Arthur C. Clarke-Zitat („Jede hinreichend fortgeschrittene Technologie ist von Magie nicht mehr zu unterscheiden“) am Ende mag ich das aber gerne verzeihen. Dazu unterhält ein gut-aufgelegter Alan Cumming als Jakob I. von England, dessen vermeintliche Homosexualität hier zwar sehr nett angedeutet wird, aber dessen eigene Schuld in den Hexenverfolgungen etwas zu kurz kommt. Dennoch: Eine abermals sehr unterhaltsame Episode, bei der ich nur bedauere, dass König Jakob nicht noch eine Tour mit seinem „nubischen Prinzen“ an Bord der Tardis unternimmt.
11x09: „Verkehrte Welt“ („It takes you away“)
Warum diese Episode in Norwegen spielte, erschließt sich mir nicht wirklich, aber generell ist es ja gut, wenn man anerkennt, dass die Welt auch außerhalb des britischen Empires noch existiert. Einige schöne Ideen gab es auch ansonsten in dieser Episode, besonders dass die Szenen in der Dimension jenseits des Spiegels auch tatsächlich spiegelverkehrt waren (unter anderen auffällig am Seitenscheitel des Doktors, ihrer dominanten Hand und besonders am Slayer-Schriftzug von Eriks T-Shirt). Ansonsten solide Folge, die auch erstmals die Trauer von Graham richtig näher beleuchtet.
11x10: „Auf dem Pfad der Vergeltung“ („The Battle of Ranskoor Av Kolos“)
Wer dieses Jahr den großen Bogen vermisst hat, dem erinnert spätestens diese Woche daran, wie sehr sich die „Gang“ des Doktors verändert hat. Es ist nicht ein großes Mysterium, sondern emotionale Entwicklungen der Charaktere, und da haben Ryan, Yaz und vor allen Graham viel zu stemmen gehabt. Ryan entwickelte sich von seiner starken Unsicherheit über sich selbst und Misstrauen gegenüber anderen zu jemanden, der sich mehr über andere Gedanken und Sorgen macht. Yaz hat es geschafft, ihre Familie besser kennenzulernen und ihre eigene Geschichte zu verstehen – und ist gleichzeitig die größte Vertrauensperson des Doktors aus der „Gang“ geworden, nachdem sie am Anfang mit ihrem Leben und vor allen über den mangelnden Respekt ihr gegenüber stark haderte. Und schließlich Graham, der seine Trauer und seine Wut überwinden konnte ohne sich Rachegelüsten hinzugeben.
„The Battle of Ranskorr Av Kolos“ ist ansonsten eine eher laue Geschichte, deren Stakes viel zu hoch angesiedelt und mit viel zu viel Techno-Babbel aufgelöst wird. Wie diese ganze Staffel ziemlich uneinheitlich also.
Ein Findungsprozess
Generell sind erste Staffeln immer ein Findungsprozess, nicht nur bei Doctor Who, aber besonders hier. Die Serie geht dabei sogar völlig offen mit um, auch wenn das „Der Doktor muss erstmal schlafen, damit er etwas besser zu sich findet“ langsam aber sicher nervt. Whittaker orientiert sich, wie geschrieben, stark an Tennants zehnten Doktor, sicherlich keine schlechte Wahl. Dabei spitzt sie genau wie er gerne ihre Oberlippe mit einem leichten Überbiss oder verzieht das Gesicht dabei und genießt es, durch das Bild rennen zu können.
Dennoch, oder gerade deshalb stellt sich noch die Frage, wer dieser neue Doktor eigentlich ist, oder wofür sie einsteht. Eccelstones Doktor war der Kriegstraumatisierte, der nur schwierig wieder Fuß fand. Tennant fand die Freude am Leben wieder, musste aber mit einigen harten Verlusten klar kommen. Smith war zuerst der Märchen-Doktor und fand sich dann eine neue Familie über ein paar seltsame Umwege. Capaldi war der Midlife-Crisis-Doktor, der ein wenig rebellierte, aber seine härtere Fassade auch brauchte um sich durchzuboxen.
Und Whittaker? Die Tatsache, dass der Doktor nun erstmals weiblich ist, darf offenbar nicht zu ihrem zentralen Thema werden. Das ist zwar generell erstmal zu begrüßen – denn die Idee, dass sie sich in einer Welt voller Männer behaupten müssen würde, passt nicht zu dem Charakter und allen, was bereits etabliert wurde über die Timeladys und -lords. Andererseits fehlt nach der ersten Staffel immer noch ein zentrales Motiv ihrer Charakterentwicklung. Das muss man aber nicht zu schwer bewerten, denn auch die anderen Doktoren vor ihr brauchten meist mehr als die erste Staffel, bis sowohl Darsteller als auch Autoren den Charakter richtig greifen konnten.
Der/die Doktor
Die Synchronisation hat für Deutschland die Entscheidung getroffen, den Charakter weiterhin „Der Doktor“ zu nennen. Zum einen bietet das natürlich deutliche Vorteile beim Synchronisieren: Drei Silben („Der Doktor“) sind besser auf die Lippenbewegungen anzupassen als vier („Die Doktorin“), denn im Englischen ist dies mangels geschlechtsdefinierender Artikel ohnehin egal.
Würden wir aber nicht hierzulande tatsächlich den Charakter nicht „Doktorin“ nennen? Ich gehe schließlich auch hier selbstverständlich zu meiner Hausärztin. Aber „Der Doktor“ ist im Whoniverse tatsächlich nicht eine Berufsbezeichnung, sondern ein selbstgewählter Name, ein „Versprechen“, für das der Charakter eintritt, unabhängig von Aussehen und Geschlecht. Daher erscheint dies tatsächlich auch als die richtige Entscheidung.
Viel Luft nach oben
Staffel 11 ist tatsächlich schwer zu bewerten. Von der Ausstattung, der Kamera, den Effekten und auch der Musik ist es abermals ein klarer Schritt nach vorne. Es ist auch eine schöne Entscheidung, dass mit Sheffield mal ein anderer britischer Ort als immer nur London oder Cardiff Spielort der Serie wird. Allgemein sind die Sets generell ein Highlight.
Aber: Wir bekommen nur noch zehn (statt zwölf) Episoden und diese mit teils unterdurchschnittlicher Qualität, was die Geschichten angeht. Die neuen Autoren haben sichtlich Mühe, die Charaktere zu greifen und mit allen etwas anzufangen. Zwar ist die Entwicklung von Graham und Ryan eine durchaus gelungene. Aber die Motivation des Doktors selbst bleibt austauschbar und gerade über Yaz hätte man gerne etwas mehr erfahren, obwohl sie mit „Demons of the Punjab“ im Zentrum der besten Episode dieser Staffel steht. Der neue Showrunner, Chris Chibnall, hatte auch bereits für den zehnten und vor allen dem elften Doktor einige Folgen geschrieben, die jedoch eher zu den schwächeren gehörten. Dann hatte er aber mit dem enorm stimmungsvollen „Broadchurch“ sich vor allen in einer horizontalen Erzählweise mit Charakterfokus bewiesen. Die Hoffnung, er könnte ebenso starke Charakterentwicklungen bei dieser Serie zeigen, hat sich aber nicht erfüllt.
Es ist daher zu begrüßen, dass die Produktion der 12. Staffel erstmal herausgezögert wurde. Erst 2020 können wir mit neuen Folgen von „Doctor Who“ rechnen. Wenn das Team die Zeit nutzt, die Charaktere etwas besser zu fassen und vor allem sich auf stärkere Stories zu konzentrieren, reicht das schon. Der Doktor braucht halt bei jeder seiner Regenerationen etwas Zeit.
2 Antworten
Es gab schon so viele gute weibliche Darstellerinnen und dann so etwas… Messi war sehr überzeugend. Aber hier überzeugt für mich nichts auch das Team ist wie gewollt und nicht gekonnt. Die Rollen sind nicht überzeugend und die Story ist wahnsinnig flach. Diese Schuhe sind eindeutig zu groß gewesen. Fünf Sterne bekommt keine Folge von mir. Am meisten passt die Folge mit den Paketen. Noch so eine Staffel wäre tödlich für diesen Epos. Ich hoffe das Spezial ist besser.
Ich liebe die neue Staffel von Doctor who und hoffe, dass Jodie noch lange bleibt.