Unsere Stadt- und Charaktererschaffung liegt nun schon einen guten Monat zurück. Endlich Zeit, die Charaktere und vor allem auch das System mal in der Praxis zu testen.
Die Story in einer Nussschale
Wir starten auf der Reeperbahn an einem Sonnabend Nachmittag. Auf dem Weg zur Davidwache wird Deniz von Yuri, einem Kumpel (Aspekt: „Viel zu viele Freunde“) angerufen und um Hilfe gebeten. Yuris aktuelle Flamme, Leonie, wird seit der gestrigen Nacht vermisst, ihr Mobiltelefon reagiert nicht und sie ist auch nicht in ihrer WG aufgetaucht. Auf der Wache wird parallel Marcus von Hauptkommissar Kühn darüber instruiert, dass es einen Schwerverletzten in der letzten Nacht gegeben hat, der offenbar mit mehreren Messerwunden ins UKE eingeliefert wurde. Besonderes Merkmal: er ist Mitglied in der Stormarner Burschenschaft.
Nach Besuchen in Leonies WG und im UKE stellt sich heraus, dass Leonie offenbar von einem Stormarner abgeschleppt wurde. Wir besuchen die Burschenschaft und dort findet der Magier unserer Truppe, Thorsten, heraus, dass dort offenbar vor kurzen durch ein missglücktes magisches Ritual ein Tor ins „Nimmernie“ (unsere Übersetzung vom „Nevernever“, keine Ahnung, wie die offizielle ist, sachdienliche Hinweise werden gerne angenommen) geöffnet wurde. Mit ein wenig Bohren finden wir heraus, dass offenbar ein Monster in unsere Welt gelassen wurde, und eben dieses den Burschenschaftler so zugerichtet hat. Mehr verraten sie nicht, dennoch bleibt das Gefühl über, dass sie noch etwas verheimlichen.
Ein Besuch bei Jette – einfach nur Jette – im Magie-Esoterik-Laden auf der Schanze bringt uns nicht weiter. Thorsten versucht sich an einem Aufspürritual und tatsächlich können wir bald auf dem Stadtplan Hamburgs ein Pendel in der Nähe des Michels ausschlagen sehen. Nach vergeblichen Versuchen, etwas aus der lokalen Bevölkerung herauszubekommen, finden wir letztlich in einiger Meter Höhe am Michel selbst jenes Monster, versteckt in den Schatten, lauernd. Eine Frau Küster taucht auf und führt uns durch ein Nebengebäude in die unterirdischen Katakomben unter dem Michel, dort finden wir Leonie, die als entscheidenes Puzzlestück ergänzt, dass sie in der Nacht zuvor in der Burschenschaft war, dort im Streit mit dem Typen war, der wohl etwas rabiater war und sie dann, leicht blutend, in den Ritualkreis gestolpert war. Der Blutstropfen hat diesen ausgelöst, woraufhin das Monster erschien und den Burschenschaftler zerfetzte. Es hat sie offenbar verfolgt, aber selbst nicht angegriffen, sie hat dann – durch einen Zufall (oder Gottes Hand) gelenkt – im Michel Zuflucht gefunden.
Wir mutmaßen, dass wohl das Blut das Monster auf den Plan rief, und überlegen auch, ob es vielleicht gar nicht bösartig war, sondern nur Leonie schützen wollte, als, den letzten Gedanken ignorierend, Marcus zu seinem Gladius greift („Taten statt Worte“) und sich damit das Blut von Leonie „besorgt“. Damit rennt er dann raus, das Monster provozierend, dass sich auch prompt auf ihn stürzt. Thorsten und Deniz folgen auf kurzem Fuß, und der Kampf beginnt. Nach kurzer Zeit hat Marcus das flugfähige Monster kaum verletzt, dies aber ihn (leicht), Thorsten hat Deniz einen magischen Rüstschutz verpasst und Deniz gelang es (im zweiten Anlauf), das Monster aus der Luft zu catchen und mit den Worten „Wir wollen doch nur REDEN!“ niederzuringen.
Cut.
Die Regeln
FATE ist uns allen bereits durch Diaspora oder Starblazer Adventures (oder beides) bekannt. Die entsprechenden Stärken sind daher klar, und diese treten auch hier durchaus hervor. Ich werde sie nun nicht noch einmal aufzählen, generell nur hier einmal erwähnen, dass der Aspekte-Part von FATE einfach eine großartige Idee ist, die wirklich viel Spaß bringt.
Dennoch gibt es noch einige Holpersteine. So ist das Magiesystem (trotz der exzellenten Kurzzusammenfassungen von Enkidi Li Halan – leider gerade nicht verlinkbar, der Server scheint down zu sein, sie waren jedenfalls einst im Download-Bereich auf Fate-Rsp.de verlinkt) ziemlich komplex und auf dem ersten und auch zweiten Blick nicht wirklich intuitiv geschrieben. Jedenfalls waren wir davon nicht wirklich begeistert. Kurz zusammengefasst am Beispiel des Rüstungszaubers von Thorsten auf Deniz:
Zunächst muss sich Thorsten entscheiden, was der Zauber erreichen soll (Deniz schützen) und über welches Element er das ganze wirkt (Geist). Der Schutz ist ein Block. Thorsten möchte Deniz für zwei Runden eine Rüstung von 2 geben. Rüstung kostet (im Gegensatz zu Block) zwei Kraftstufen (Shifts)/Stufe, daher braucht Thorsten schon einmal vier Kraftstufen. Um es mehr als eine Runde anhalten lassen zu können, braucht er eine zusätzliche Kraftstufe, womit er insgesamt auf fünf Kraftstufen kommt. Diese Zahl bitte merken. Thorsten hat eine Überzeugung (Conviction) von 6 (eigentlich nur 5, aber +1 durch eine Spezialisierung auf Geist), daher nimmt er keinen zusätzlichen Schaden sondern nur 1 mentalen Schaden (den gibt es generell).
Die vorhin festgelegte Kraftstufe 5 ist gleichzeitig auch die Schwierigkeit, die Thorsten nun durch einen Wurf auf Disziplin schaffen muss. Das gelingt ihm bei einer Disziplin von +4 heute leider nicht auf Anhieb (er würfelt eine –1), kann aber durch die Aktivierung seines Aspekts „Archivar des Weißen Konzils“ dies dann doch noch auf 5 anheben. Hätte er dies nicht geschafft, wären die fünf Kraftstufen als eigener Schaden oder als Schaden im Umfeld negativ – öhm – aufgefallen.
Ja, es ist nachvollziehbar. Aber man muss erst einmal ganz schön das Gehirn knoten. Es hilft auch nicht, dass mal von Kraftstufen gesprochen wird, mal Zahlen im Beispiel durcheinander gewühlt werden, u.s.w. Mit der Zeit sollte es aber wahrscheinlich einfacher werden.
Bei der Ritualmagie habe ich, ehrlich gesagt, gar nicht richtig zugehört. Es heißt zwar, dass andere bei Ritualen helfen können – spaßigerweise macht das bei nichtmagischen Charakteren eigentlich gar keinen Sinn, denn sie können nur als Ziele für potenziell danebengegangene Disziplinwürfe herhalten (quasi als Abfallbecken für Schaden, wenn was daneben geht), sonst gar nix machen (außer dekorativ in der Gegend herumstehen und die Kerzen bewundern). Yeah.
Generell habe ich noch mitbekommen, dass Rituale offenbar über mehrere Runden gehen, dabei jede Runde Kraftstufen in das Ritual gepumpt werden, und wenn nur ein Disziplinwurf daneben geht, wird das bis dahin angesammelte Kraftniveau als Schaden an den Ritualleiter oder die Umwelt abgeleitet. Doppel-Yeah.
Sind wir eigentlich schon ein Team?
Wir spielten drei extrem unterschiedliche Charaktere, die eigentlich so gar nicht zueinander passen. Marcus, der aus dem alten Rom in die Neuzeit katapultierte römische Legionär, der nun als Undercover-Cop arbeitet und arge Akklimatisierungsprobleme an ein Hamburg von Heute hat. Thorsten, der verplante Magier des Weißen Konzils, der absolut bei jeder Kleinigkeit Klugscheißen muss und damit beiden anderen auf den Senkel geht („Ist halt ein Sonderling“). Und der Deutschtürke Deniz, der sich eigentlich nirgendwo richtig zu Hause ist, selbst damit hadert, ein halbes Monster zu sein und zwischen den Welten zu stehen, und eigentlich nur mit seinem Mundwerk es schafft, über seine Unsicherheiten hinwegzutäuschen.
Aufgrund der gemeinsam verwobenen Vorgeschichten sollten wir aber eigentlich schon gut miteinander befreundet sein und uns kennen. Die klassischen Gruppenfindungsstörungen sollten also minimiert sein. Sollten. Hmm. Irgendwie waren sie das doch nicht.
Bereits ganz am Anfang musste es einen gehörigen Spielleiter-Lattenzaun geben, um diese Charaktere zusammen auf die Mission los zu schicken (der Legionär wollte auf eigene Faust los marschieren). Und zum Schluss preschte Marcus ein weiteres Mal einfach auf eigene Faust los („Taten statt Worte“) und wir blieben im Cliffhanger stecken, unsicher, ob wir gerade ein Monster verprügeln, dass vielleicht gar nicht der Feind ist (denn eigentlich haben ja diese Burschenschaftler dort ein illegales Ritual abgehalten). Vielleicht kann ja ein gewisser Werkater der nötige Kitt in der Runde werden, jedenfalls wird es einem ziemlichen Krach weitergehen nächstes Mal.
These: man baut zwar ineinander verschränkte Charakter-Vorgeschichten und damit ein wenig schon an Freundschaften auf, allerdings sind diese nicht wirklich zu vergleichen wie miteinander ausgespielte Abenteuer. Denn sie sind quasi nur Klappentexte. Ihnen fehlen die Dialoge, die Manierismen und die Macken, die Charaktere erst auszeichnet und liebenswert – oder nervend – machen. Eine wirkliche Gruppe wird man erst durch die richtige Interaktion miteinander, das davor ist nur Theorie.
Das soll nun auch nicht bedeuten, dass in der Runde keine sinnvolle Gruppe erwachsen kann, dazu macht es auch viel zu viel Spaß. Die Option besteht immer noch, und jedes gutes Drama lebt von Reibereien zwischen den Protagonisten. Bin gespannt auf das nächste Mal – das allerdings leider erst 2011 …
7 Antworten
Kleine, aber sehr wichtige Korrektur: Das Monster hat Marcus selbstverständlich noch nicht verletzt :-)
Die Phasen- und Charaktervorgeschichten sah ich immer mehr als Etablierung der Charaktere im Szenario an. Man lernt sich kennen, weiß wen man Ansprechen kann mit bestimmten Problemen, aber Vertrauen und Freundschaft müssen erst noch im Spiel erarbeitet werden. Dazu finde ich diese Dinge auch so wichtig dass man sie nicht unbedingt Off-Screen abhandeln muss. Jedenfalls wäre es bei der von uns gewählten Charakterkonstellation nicht erstrebenswert, dazu sind die Chaoten viel zu verschieden und müssen sich erst zusammen raufen. Nach dem „Pilotfilm“ haben wir dann aber sicherlich schon eine Gruppendynamik etabliert. Aber ich denke mal der Werkater wird sich sicherlich schon mal harmonischer einfügen.
Wie, Marcus ist noch nicht verletzt? Oder das Monster? Ich meinte mindestens letzteres …
Monster hat Schwertstich in den Magen und Flügel leicht verletzt. Bei Marcus ist alles heile (dank eifrigem Fatepunkte Einsatz) und die Frisur sitzt (auch ohne Fatepunkte)
Du meinst diesen Legionärs-Bürstenhaarschnitt? Der ist doch unverwüstlich … ;-)
Und dass Du dafür auch noch Fatepunkte übrig hattest, hätte mir eigentlich klar sein sollen, mein Gedächtnis …
Hi,
der Downloadbereich geht wieder. Enkidis Server war tatsächlich abgestürzt, inzwischen ist längst wieder alles okay.
Danke für den Link übrigens!
K.
Noch was zu Ritualen. M.E. kann jeder helfen, der etwas Lore beherrscht. z.B. durch das Schaffen von Aspekten durch Deklarations oder Manöver. Auch sonst würde ich erlauben, dass der total normale und nicht übernatürliche Legionär eben das dringend erforderliche Schnarchen eines Ehebrechers beschaffen muss/kann, ohne das kein Ritual möglich ist.
Es ist eine Sache, aus einer Ritualvorbereitung einen Subplot zu bauen – da kann man sicher jeden SC irgendwie einbauen, aber darum ging es ja auch nicht. Es geht um die Spielmechanik selbst. Und da hast Du halt nur den einen Spieler, der Magie kann, der das ganz alleine basteln (lies: erwürfeln) muss. Und was für Manöver kann da der Otto-Normal-Nicht-Magiewirker machen? Eine angenehme Nacken-Massage zwischen zwei Würfen? Ein Area-Effekt mit entspannender Lautenmusik? Ist das tatsächlich im Sinne der Spielmechanik?