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Blogstöckchen: Elf Fragen von Sal

Ich wurde am Freitag von einem Stöckchen getroffen (Aua!). Wurde ich tatsächlich lange nicht mehr, wer das nicht kennt: Ich bekomme etwas vorgesetzt, zu dem ich nach Vorstellungen des „Werfers“ bloggen soll. In diesem Fall schickt mir Sal vom W6vsW12-Blog ganze elf Fragen, die ich nun hier zu beantworten versuche:

1. In welchem Rollenspielsetting würden Dich Produkte wie Romane, Filme usw. interessieren?

Das ist tatsächlich mal eine spannende Frage, da ich ja meist genau umgekehrt vorgehe: Ich liebe es, Romane, Filme usw. für’s Rollenspiel zu adaptieren. Aber in die Gegenrichtung sollte es natürlich auch gehen, klar.

Natürlich gibt es da auch schon einiges, jedenfalls bei den großen Systemen: „Shadowrun“-Romane, „D&D“-Filme etc. Selbst kleinere Nischensysteme wie „Engel“ haben eine große Vielfalt an Romanen hervorgebracht, und angeblich gab es sogar für DSA mal etwas. Darüberhinaus gibt es in vielen Grundregelwerken auch meist eine kleine Kurzgeschichte zur Einstimmung. Klar, Print liegt ja nahe und kann entsprechend einfach umgesetzt werden.

Daher wende ich mich doch lieber einem bewegten Medium zu, dass sich nicht so einfach umsetzen lässt: Der Serie. Dort sieht es tatsächlich sehr viel magerer aus – wobei es natürlich auch Ausnahmen gibt: Es gab eine „D&D“-Zeichentrick-Serie in den 80ern im Kinderprogramm („Im Land der fantastischen Drachen“, wie damals RTLplus die Serie „Dungeons&Dragons“ übersetzt hatte), eine „Vampire-the-Masquerade“-inspirierte Serie in den 90ern („Clan der Vampire“). Aber mehr fällt mir tatsächlich gerade nicht ein.

Daher: Wo ist eine „Shadowrun“-TV-Serie? Auch wenn ich die Verwebung von Magie und Hightech immer noch sehr gewöhnungsbedürftig finde – das Konzept würde mit einem ordentlichen Budget auf der Mattscheibe großartig aussehen und würde die eingebaute Fan-Truppe bereits mitbringen. Und was ist mit „Siebte See“? Swashbuckling in einer Welt mit Magie und viel Potenzial für Unfug und Kreativität? Alle Fans von „Pirates of the Caribbean“ wären quasi potenzielle Zuschauer. Oder eine Serie in den 1920ern mit Ermittlern auf der Spur des Cthulhu-Mythos?

Netflix, HBO, Syfy, anyone?

2. Erst schlagen, dann fragen: was treibt Deinen Charakter dazu?

Das kommt sehr auf den Charakter an, ich bilde mir ein, dass sie doch sehr unterschiedlich ticken. Mein „Space 1889“-Privatermittler ist ein ehemaliger Bobby, der alleine deswegen möglichst alles noch so regeln will und seine Kernfähigkeit, die Schusswaffe, bisher nicht einmal gewürfelt hat. Mein „Dresden Files“-White-Court-Vampir hingegen hatte am Anfang eine extrem niedrige Frustrationsschwelle – wobei er auch gerade erst seine Mutter verloren hatte und der vermeintlichen Mörderin gegenüberstand. Mit der Zeit hat er aber an dieser Impulskontrollschwäche gearbeitet.

Wenn einer meiner Charaktere also erst zuschlägt, dann sollte es einen Grund dafür geben. Und am Besten einer, der ihn sich im Spiel noch weiterentwickeln und am Besten Fall auch mal beheben lässt – es sei denn, wir spielen ohnehin eine rein-böse Truppe …

3. Charaktertod: was muss sein und was ist tabu?

Ich gehöre zu der Art Spielleiter, der in der Regel offen würfelt. Ich drehe Würfel nicht. Denn: wenn ich schon würfel’, dann muss es auch einen Grund dafür geben. Bakers „Sag ja, oder lass würfeln“ (aus „Dogs in the Vineyard“) versuche ich insofern auch für mich als Spielleiter umzusetzen.

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Gerade bei kampflastigen Systemen ist das daher gerne mal frustrierend. Als ich zuletzt vor zwei Jahren oder so mit unserer Dienstagsrunde D&D5 testete, gab es bereits nach wenigen Spielstunden den ersten Total-Party-Kill. Eine Mischung aus Würfelpech, Anfangscharakteren und zu guten Aufstellungen der Gegner.

In mehr story-orientierten Systemen hatte ich jahrelang für mich im Hinterkopf: Ein Charaktertod muss storymäßig nicht nur Sinn machen (also am Besten einen Abschluss einer Storyline darstellen), sondern der Charaktertod muss auch irgendetwas auslösen, am Besten ist er ein Katalysator für etwas Narratives.

Dann kam „Game of Thrones“ und zeigte, dass auch Tode einfach zwischendurch in einer Geschichte auftauchen können, die noch nicht abgeschlossen ist. Auch das ist ein Katalysator für etwas Narratives, manchmal sogar ein interessanterer. Insofern ist auch ein Tod in story-orientierten Systemen, der die eigentlich vorgesponnene Story zerstört, ein legitimes Mittel. Man muss aber dennoch aufpassen, dass man ihn nicht zu oft einsetzt – sonst gewöhnt sich das Publikum zu stark daran (etwas, unter dem „Game of Thrones“ manchmal zu leiden droht).

Tabu ist bei mir bei einem Charakter-Tod eigentlich kaum etwas. Ich würde aber wohl ein zufällig herunterfallendes Klavier ausschließen, das ist mir einfach zu doof. Und ich würde einen Tod durch sexualisierte Gewalt in einer Geschichte nur dann nicht aus dem Weg gehen, wenn vorher darüber ein deutlicher Gruppenkonsens herrscht, dass eine solche Form von Geschichte für alle in Ordnung ist.

4. Kritik: gehört das in Deinen Runden dazu, hast Du feste Rituale?

Ja. Ich beende jede Sitzung in der Regel mit einem „Cut“ an einer möglichst interessanten Stelle, die auf das nächste Mal gespannt machen soll. Danach gibt es eine Feedback-Runde, in der jeder Spieler, möglichst kompakt in wenigen Sätzen, kurz das highlighten soll, was ihn heute besonders gefallen hat – aber auch das Negative zur Sprache bringen soll, von dem es künftig weniger geben soll.

Irgendwann hatten wir das mal mit einer „Erst schlucken, dann spucken“-Regel erweitert. Diese besagt, dass man möglichst nicht den Spielfluss der Anderen unterbrechen sollte, wenn man gerade durch irgendetwas angenervt ist.

Durch die Feedbackrunden am Schluss bilde ich mir ein, besser zu wissen, worauf meine Spieler Bock haben und passe entsprechend auch meine Spielleiterweise an. Auf dieses Feedback möchte ich als Spielleiter daher möglichst nie verzichten.

5. Das perfekte Setting: welche drei Elemente sind Pflicht?

Ein gutes Setting ist für mich vor allen eine Sandbox, in der sich die Spieler möglichst frei bewegen können und wo wir dann gemeinsam genau die Bereiche, die sie erforschen, zusammen weiter ausdefinieren können. Mir sind daher genau die Settings, die zuviel vordefinieren, ein Gräuel – wobei noch mehr die Spieler, welche ein Setting auswendig kennen und von vornherein Improvisation darin mit einem „Aber im Buch ist das soundso“ ausmerzen.

Dann braucht ein gutes Setting für mich vor allen ein Beziehungsgeflecht. Nicht nur mit und zwischen den NSC, sondern auch mit und zwischen den SC. Auch hier ist es wieder schwierig, entsprechend etwas vorgefertigtes zu adaptieren.

Letztlich braucht jedes Setting einen (oder mehr) mehr oder weniger gut ausdefinierten MacGuffin. Ich habe aber festgestellt, dass Spieler einen MacGuffin selbst ungern als Mysterium stehen lassen mögen, sondern sich immer unmittelbar auf diesen stürzen und lüften wollen. Daher bleiben meine MacGuffins nur selten undefiniert.

6. Die perfekten Regeln; welche drei Elemente sind hier Pflicht?

Jede Regeln brauchen einen Konfliktmechanismus. Gute Regeln schaffen diesen Mechanismus in Form eines Fraktals zu bauen, der sich intuitiv auf möglichst viele Bereiche anpassen lassen kann, ohne dass man genau nachlesen muss, wie jetzt diese Teilregeln gerade strukturiert sind. Und die perfekten Regeln schaffen es, nicht nur eine möglichst interessante Simulation der Umwelt zu schaffen, sondern auch ein Settinggefühl mitzutransportieren.

Umgekehrt bedeutet es aber auch, dass es perfekte Regeln nur für jeweils ein Setting gibt. Universell anwendbare Regeln gibt es quasi nicht. Selbst das von mir so favorisierte Fate ist immer etwas pulpig, weswegen ich es für ein Horror-Setting mindestens herausfordernd im Einsatz ansehen würde …

7. Grundregelwerk und Zusatzbücher: wie viel Zusatzmaterial darf es sein?

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Ich bin tatsächlich zum einen ein Minimalist: Möglichst kompakte Regeln mag ich weit mehr als ausufernde Zusatzwerke. Ich mag Regelwerke ohne zuviel Crunch, also Zusatzregeln. Dennoch interessieren mich, gerade bei lange gespielten Systemen, natürlich Regelhacks, welche andere Spielweisen fördern.

Ehrlicherweise kann ich vielen Fluff-Regelwerken (also vor allen Settingbeschreibungen statt Regelorgien) aber nicht widerstehen, gerade wenn sie ein Setting, dass sie abbilden, noch um viele faszinierende Facetten erweitern. Da wacht dann der Jäger-und-Sammler-Trieb in mir auf …

8. Wie viel steckt von Dir in Deinen Charakteren?

Da kann ich kaum eine Prozentzahl nennen. Sicher, alle Charaktere, die ich spiele, haben irgendwo, teilweise ziemlich versteckt, eine soziale Ader, es fällt mir schwer einen völlig Empathie-losen Charakter zu spielen, auch wenn manche Charaktere zumindest vordergründig so erscheinen und ich es auch als Herausforderung gerne mal annehme. Und das lässt sich sicher auch auf viele andere Charaktere übertragen, die ich spiele, vermutlich sogar weit mehr, als mir selbst eigentlich auffällt.

9. Lieber vorgefertigte Abenteuer oder eigenes Material leiten?

Ich bevorzuge eigenes Material, aber dies ist selten nur auf meinen eigenem Mist gewachsen, sondern an diversen Stellen „geklaut“. Diese Stellen können tatsächlich gerne auch vorgefertigte Abenteuer sein, wobei ich diese aber häufig komplett umstelle, oder einfach auch nur einen besonderen Aspekt oder Twist daraus adaptiere. Letztlich halte ich mich jedenfalls nie sklavisch an ein vorgefertigtes Abenteuer,

10. Probierst Du gerne neue Systeme aus und kommst Du oft dazu?

Klares Jein. Ich neige dazu, aus Zeitgründen, eher Systeme zu leiten, die ich bereits kenne und in denen ich mich wohlfühle. Dort fällt mir das Improvisieren weit leichter, und sei es nur, weil ich meine Zeit nicht damit verschwenden muss, eine bestimmte Regel mal eben nachzulesen.

Aber: Ohne das ständige Ausprobieren von neuen Systemen würde ich heute noch nur D&D spielen und hätte nie über den Tellerrand geschaut. Irgendwann, dank einer eigentlich nicht so geplanten Runde auf dem Nordcon, hatte ich die Indie-Games kennengelernt. Diese haben meine Spielweise extrem verändert und ich hoffe, zum Besseren. Nach Indie kam Fate, und nach Fate …

Daher: Ich probiere gerne neue Systeme aus, aber meist für One-Shots, für längere Stories nutze ich lieber bekannte Regeln. Dazu komme ich aber immer weniger, ehrlich gesagt.

11. Rollenspiel ist für Dich? Du hast einen Satz zum Abschluss!

Das spannendste entspannendste Hobby.

Und einmal mehr geworfen

Elf Fragen finde ich etwas viel, daher werfe ich lieber nur fünf weiter:

  1. Wenn Du eine TV-Serie für einen Sender entwickeln sollst, die auf einem populären Pen-&-Paper-Rollenspiel basiert – wie würde Dein kurzer Pitch dazu lauten?
  2. Wie lang sollte idealerweise ein Kampf im Rollenspiel brauchen?
  3. Du bekommst den Auftrag, ein Pen-&-Paper-Rollenspiel zur erfolgreichsten deutschen TV-Serie zu entwickeln: dem „Tatort“. Da Du wenig Zeit hast, was eigenes neu zu entwickeln – welches bestehende System nutzt Du zur Adaption?
  4. Lieber zur SPIEL nach Essen, zur RPC nach Köln oder zur Nordcon nach Hamburg?
  5. Was ist die innovativste Regelmechanik der letzten ca. zehn Jahre?

Und diese werfe ich an meinen Ex-Podcast-Kollegen Roland aka Nerdlicht, an den Steamtinkerer vom Kabinett des Wahnsinns sowie an jeden, der noch keines der aktuellen Welle abbekommen hat und Lust hat, sie zu beantworten.

Bildnachweis: Alle Public Domain/CC-0.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
docron.de

2 Antworten

  1. Danke für Deine Antworten. Wie immer bin ich begeistert, wie gezielt Du die Dinge auf den Punkt bringst, wo ich zum Schwafeln neige. : )

    Wenn Du sagst, Du interessierst Dich für Regelhacks, die eine andere Spielweise fördern, meinst Du dann, dass Du ein Setting hast und Dich für unterschiedliche Regelsysteme für dieses Setting interessierst, oder meinst du, dass Du ein System hast und Dich für Hacks interessierst, die auf diesem System basieren, aber andere Settings bedienen?

    1. Ich würde mich zwar teilweise auch als Schwafler bezeichnen, aber dennoch: Danke. :-)

      Ich meinte tatsächlich das zweite (auch wenn das erste auch nicht uninteressant ist). Also das, was zum Beispiel das Fate Handbuch zu Fate Core dazuliefert: Wie kann man allein durch unterschiedliche Stresstracks unterschiedliche Settings bedienen, mit welchem Regelhack bedient man eine Spielweise, die ein Superheldensetting besser transportiert, etc.