Wir erinnern uns: In Die Braut des Grauens nahmen wir einen seltsamen Trip in Sherlocks Hirn vor und erlebten eigentlich nur die paar Momente, nachdem Sherlock Ende der dritten Staffel England verlassen muss. Doch plötzlich fand sich auf vielen Bildschirmen das Konterfei von Moriarty wieder. Kann dieser tatsächlich noch leben? Oder treibt jemand anderes mit Sherlock und seinen Freunden ein finsteres Spiel?
Die Episoden
4×01: „Die sechs Thatchers“ („The Six Thatchers“)
Die Figur von Mary Watson fand ich von Anfang an großartig, sie passte perfekt zwischen die beiden Protagonisten, ohne deren Dynamik zu zerstören (einen großen Anteil daran hat auch die tolle Amanda Abbington). Es war aber nur eine Frage Zeit, dass wieder etwas aus ihrer Vergangenheit auftauchen würde.
Diesmal ist es sogar eine Person in Gestalt des professionellen Assassinen Ajay (Sacha Dhawan), was zu einiger Action führt. Dennoch hat ausgerechnet diese Episode doch einige Längen, eine etwas schwer nachvollziehbare SMS-Affäre des jungen Vaters Dr. Watson und ein Ende, das einen Tritt in die Bauchhöhle gleich kommt.
4×02: „Der lügende Detektiv“ („The Lying Detective“)
In der Verarbeitung der Ereignisse entfremden sich die beiden Freunde zunehmend – wie gut, dass Mary, aber auch Mrs. Hudson doch noch ein paar Tricks auf Lager haben, um die Männer wieder zusammenzuführen.
Und mit Culverton Smith (Toby Jones) steht Ihnen aber auch schon ein neuer Gegner gegenüber. Noch dazu ein Serienmörder in den höchsten Kreisen der Gesellschaft. Ein sehr charismatischer Gegner, der Sherlock lange Zeit voraus zu sein scheint – aber genau das hatten wir doch schon zu Genüge. Dennoch reißt Jones die Episode noch nach oben.
4×03: „Das letzte Problem“ („The Final Problem“)
Sherlock und Mycroft haben also plötzlich eine Schwester, die ein brillanter Manipulator ist. Ein Fakt, den Sherlock selbst völlig aus seinem Gehirn verbannt hat. Diese Schwester, Eurus, ist in einem einsamen Insel-Gefängnis eingesperrt und dennoch steckt sie hinter all dem Chaos dieser Staffel. Und genau das nimmt nur noch weiter zu, sie schafft es, wirklich alle alten Fäden abzutrennen: Die unerfüllte Liebe von Molly zu Sherlock, die „Auflösung“ der Wohnung in der Baker Street …
All das wird nun zu einem Familienproblem mit extrem viel Mummenschanz, einer etwas kruden Auflösung und vor allen kaum noch der brillanten Logik, die eigentlich hier an den Tag gelegt werden sollte. Und etwas unbefriedigend für alle Shipper kommt es zu keiner weiteren Szene zwischen Sherlock und Molly. Aber ein toller Epilog durch Mary versöhnt doch vieles.
Staffelfazit
Es bleiben recht gemischte Gefühle zurück. Nach wie vor bringt es Spaß, die Charaktere dabei zu sehen, wie sie mit immer größeren, komplexeren Problemen konfrontiert werden. Aber genau das ist das Problem: Es muss immer noch mehr getoppt werden, es muss immer noch komplexere Hirnverknotungen geben. Klar, es soll für den größten Detektiv aller Zeiten herausfordernd bleiben, aber genau dieser sollte doch gerade dem Zuschauer eigentlich auch regelmäßig voraus sein. Wenn aber Sherlock selbst einen Mummenschanz nicht durchblickt, der eigentlich auf der Hand liegen muss (wie zum Beispiel ein viele, viele Stunden lang abstürzendes Flugzeug) und Dr. Watson auch noch vergisst, dass er eigentlich doch einfach schwimmen kann, fragt man sich, wo die brillanten Geister eigentlich liegen.
Es ist einfach schade, wenn solche Kompromisse für die Story gemacht werden müssen, Sherlock sollte brillant bleiben oder einen guten Grund haben, warum er an dieser Stelle das Offensichtliche übersieht.
Wird es eine fünfte Staffel geben?
Es wurde schon immer schwieriger, die beiden Hauptdarsteller, deren Hollywood-Karrieren steil durch die Decke gingen, terminlich zusammen zu bringen. Dazu hatten die Serienmacher, Mark Gatiss und Steven Moffat, mit allerlei anderen Projekten zu jonglieren, darunter das andere BBC-Schlachtschiff: „Doctor Who“. Moffats letzte Episode davon läuft zum Jahresende, wenn er auch seinen Job als Showrunner abgeben wird. Gatiss kümmert sich schon bereits um neue Projekte. Eigentlich sollten die beiden also auch für weitere Sherlock-Episoden demnächst wieder Zeit haben.
Die Autoren haben auch selbst angeblich bereits ein grobes Konzept für eine fünfte Staffel, aber sie haben sich noch nicht entschieden, ob sie diese tatsächlich inszenieren wollen. Und ehrlicherweise: Gerade durch den sehr gelungenen Epilog von „Das letzte Problem“ bekommt die Serie einen guten Abschluss und keinen weiteren Cliffhanger, wie sonst. Dabei sollte man es auch belassen können.
[wertung img="https://edieh.de/wp-content/2017/06/sherlock_s4-br-front-01.jpg" stars="4"]
Die Veröffentlichung auf Blu-ray und DVD
Abermals hat Polyband eine BBC-Serie herausbringen dürfen, und abermals statten sie die Box mit vielen Extras aus.
Nicht nur ein informatives, 16-seitiges Heft präsentiert viele Hintergrundinformationen, sondern auch auf den Scheiben gibt es abermals wirklich umfangreiche Einblicke in den Produktionsprozess, darunter die Videotagebücher von Mark Gatiss, einiges rund ums Set-Design der Baker-Street und der Wohnung der Watsons, sowie ein Gespräch mit den beiden Autoren.[/wertung]
„Sherlock: Staffel Vier“ erschien am 12.06.2017 bei Polyband auf DVD und Blu-ray. Offenlegung: Ich habe die Blu-ray freundlicherweise als Rezensionsexemplar erhalten.
5 Antworten
schwimmen konnte watson nicht wirklich, da er am Grund des Brunnens angekettet war ;)
Ah, okay. Aber wieso hilft ihm dann ein zugeworfenes Seil?
ich muss mir die Folge definitiv nochmal später auf Bluray anschauen, hat mich auch gewundert. Dacht im ersten Moment, dass sich Watson auf diese Weise noch was weiter hochziehen konnte, damit er noch was mehr Zeit hatte, bis Sherlock ihn dann rausholen konnte. Die Wand des Brunnens dürfte ja ziemlich glitschig sein. Aber mich hat so einiges an der Folge „etwas“ gewundert. Es war auf keinen Fall eine Folge ohne Logiklöcher, soviel kann man schonmal sagen. Ich mein, egal wie gut die Schwester eine Person manipulieren kann, es ist sicher nicht möglich alle zu beeinflussen. Da muss man es wohl an einigen Punkten akzeptieren und nicht weiter hinterfragen, was etwas schade ist. Gerade die genialen und gut aufgelösten Twists haben mir bei den früheren Staffeln immer sehr gut gefallen.
Ja, ganz meine Meinung.
Mich hat die Staffel arg enttäuscht. Die mittlere Folge war angesichts ihrer Losgelöstheit vom Meta-Plot noch die beste. Ansonsten hat die Serie mMn damit den sprichwörtlichen Hai übersprungen.
Schon das plumpe wegwischen des in der Staffel zuvor dramatisch aufgebauten Cliffhangers am Anfang („Ach, war halt ne Aufzeichnung. Reden wir nicht weiter drüber. Irgendwann stoßen wir schon auf die Hintergründe.“) war arg enttäuschend.
Das Einführen einer weiteren Holmes und diese Gefangenen-Dillemma-Schose war mir dann zu dick aufgetragen.