Midsize-Crisis – „Downsizing“ (Kino-Kritik)

Paul Safranek (Matt Damon) ist ein liebevoller und aufopferungsvoller Mann. Er möchte seiner Frau Audrey (Kristen Wiig) gerne den Wunsch nach einer besseren Unterkunft erfüllen, denn noch leben sie im Elternhaus von Paul. Bei dessen Job als Chiropraktiker springt aber einfach nicht mehr heraus.

Doch als der norwegische Wissenschaftler Dr. Jorgen Asbjørnsen (Rolf Lassgård) eine Möglichkeit findet, wie man Menschen auf gerade mal 12 Zentimeter zu schrumpfen vermag, ergibt sich eine ungewöhnliche Chance. Denn wenn sich beide schrumpfen lassen, wird ihr Vermögen sehr viel weiter reichen als zuvor – sie würden halt weit weniger Ressourcen brauchen. Von heute auf morgen könnten Sie im Luxus leben und nebenbei auch weit nachhaltiger.

DOWNSIZING | TRAILER H | DE

Es scheint eine attraktive Lösung zu sein, wenn auch eine unumkehrbare. Beide willigen ein, doch als Paul nach dem Schrumpfen zu sich kommt, ist seine Frau weiterhin groß geblieben – sie hat kurz vorher noch Reißaus genommen. Allein unter vielen in einer Miniatur-Wunderwelt muss Paul einen neuen Sinn für sein Leben finden …

Miniaturisierung im Film

Die Idee der Verkleinerung von Menschen wurde im Film und Fernsehen schon immer gerne umgesetzt. Sei es bei „Alice im Wunderland“ (1951), bei der „Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“ (1980–81), bei „Die Reise ins Ich“ (1987), bei „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“ (1989) bis hin zu „Ant Man“ (2015). Selbst bei „Star Trek“ wurden bereits Teile einer Schiffsbesatzung (samt Schiff) geschrumpft (Deep Space Nine 6×14: „One Little Ship“, 1998). Man kann also sagen, dass es mittlerweile ein gut erprobter Spezial-Effekt ist und damit auch einer, der alleine das Publikum nicht mehr so fasziniert wie noch in den Achtziger Jahren.

„Echte“ Rosen sind allein wegen ihrer Größe schon eine Kuriosität (Udo Kier, Matt Damon und Christoph Waltz, Foto: Paramount Pictures)

„Downsizing“ gelingt es aber dennoch, eine fantastische Miniaturwelt zu inszenieren und visuell mit den Größenunterschieden zu spielen. Er verwendet viel Zeit für sein Worldbuilding und zeigt eine Umgebung mit allen detail-verliebten Dingen, seien es überdimensionale Rosen oder Wodka-Flaschen – aber auch die Dekadenz der miniaturisierten Neureichen oder der auf Massenabfertigung hin abgerichtete Prozess der Miniaturisierung selbst. In eine solche Welt taucht man gerne einmal ein.

Mehr als nur eine Komödie

Nach den Trailern hatte ich ein wenig Angst – vielleicht auch durch die eher durch Over-the-Top-Comedy bekannt gewordene Darstellerin Kristen Wiig („Brautalarm“) forciert –, dass dieses schöne Setting nur als Fassade für eine überzogene Komödie herhalten muss. Doch dies ist unbegründet, bekommt der Film doch nach dem Abtauchen von Wiigs Charakter eine eher unerwartete Kurve.

Der Schmuggler Dusan Mirkovic (Christoph Waltz) ist eigentlich ganz amüsiert von dieser kleinen Welt (Foto: Paramount Pictures)

Getrieben wird diese ausgerechnet durch das Auftreten von drei schillernden Charakteren: Dem Schmuggler und Lebemann Dusan Mirkovic (Christoph Waltz, grandios charismatisch und selbstsicher wie die meisten seiner Charaktere), dessen Freund Konrad (Udo Kier, auch immer wieder toll und hier tatsächlich einmal nicht auf eine reine Bösewicht-Rolle reduziert) sowie der erst etwas drolligen, dann aber doch sehr viel nuancierter-gespielten Putzfrau Ngoc Lan Tran (Hong Chau, die für mich bis dahin völlig unbekannt war, aber deren Rolle sogar noch besser ist als die der anderen beiden), die Paul allesamt, wenn auch auf unterschiedlicher Weise, unter ihre Fittiche nehmen.

Durch sie kann Paul die Suche nach dem Sinn in seinem Leben endlich fortsetzen und durch sie bekommt auch der Film eine unerwartete Tiefe. „Downsizing“ ist keine überzogene Komödie mit Haudrauf-Witzen sondern benutzt die Science-Fiction-Idee nur als Hintergrund für eine Frage, die wir uns alle irgendwann stellen: Hat unser Leben einen Sinn? Hinterlassen wir etwas wirklich großes?

Ein Film über Miniaturisierung muss nicht bombastisch groß sein (Hong Chau und Matt Damon, Foto: Paramount Pictures)

Regisseur Alexander Payne gelingt es hier das Ruder rechtzeitig herumzureißen, aus dem High-Concept-Film und der Comedy wird nun ein Sozialdrama und Selbstfindungstrip – und ein wenig auch zu einer Liebesgeschichte. In dieser ist nicht alles logisch, aber doch so liebevoll umgesetzt, dass man über kleine Fehler hinwegsehen möchte und auch die Comedy alles andere als vermisst.

Wie geschaffen für das Miniatur Wunderland

Bei der Hamburger Pressevorführung saß ich zufällig neben einer Gruppe etwas überdrehter Menschen, die sich auch im Film immer wieder absprachen und Notizen und vor allen Skizzen machten. Etwas, dass dann doch unter Kritikern eher ungewöhnlich ist. Ich wurde freundlicherweise dann aber aufgeklärt: Sie waren eine Delegation des Hamburger Miniatur Wunderlandes (das ich deutlich empfehlen muss), die von dem Filmverleih eingeladen war, um ein Konzept für eine gemeinsame Promo-Aktion zu erstellen. Ich weiß zwar noch nicht, was dort herauskommen wird, aber ich weiß, dass sie bspw. genau abzählten, wie die Reihenkonfiguration in der Schrumpfkammer war. Noch habe ich dazu keine weiteren Informationen gefunden, vielleicht ist das Ganze ja dann doch noch auf den letzten Metern gescheitert, aber die Idee ist wirklich genauso charmant wie dieser Film.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
docron.de

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