Nach der Rettung des verschollenen Sohns von Jules Verne vor einem Dinosaurier auf der Venus, wird dieser sowie die Abenteurerin Will Armstrong, ihr getreuer Butler und ihr Mechaniker in eine wilde Jagd um zwei marsianische Artefakte hinein gerissen. Nicht nur quer durch den Ätherraum, sondern auch zu dem mysteriösen Mars-Mond Phobos führt das Abenteuer, zu Orten, die seit Jahrhunderten niemand mehr besucht hat.
Ein crowdgefundeter Rollenspiel-Fanfilm
586 Unterstützer haben 28.110 € zu dem Projekt auf Kickstarter im Jahr 2015 beigetragen. Die Produktion verlief im wahrsten Sinne des Wortes holperig: Bei der Beschaffung des Dinosaurier-Kostüms aus China mit Hilfe eines Wohnmobils blieb selbiges auf der Strecke in der tiefsten Pampa liegen. Aus dem für den August 2016 anvisierten Auslieferung des Filmes wurden knapp zwei weitere Jahre, die aber durch regelmäßige Updates sich nicht so lange anfühlten.
Einen Fanfilm sieht man natürlich an jeder Ecke sein Budget, oder besser das Fehlen eines großen deutlich an. Doch deswegen legt man auch in einer Kritik nicht gleich andere Bewertungskriterien an, man ist hier schließlich kein Elternteil, der das Gekrakel des Kindes in höchsten Tönen loben muss um als guter Erzieher in manchen Kreisen durchzugehen. Ich will also versuchen, dass auch diese Kritik ähnliche Maßstäbe wie meine anderen Kritiken anlegt. Die sind aber natürlich auch nicht nur objektiv und ich bewerte Filme generell auch innerhalb ihrer Nische.
Technik-Schluckaufe
Fangen wir mit dem Technischen an: Der Schnitt ist nicht immer harmonisch, grobe Anschlussfehler bleiben aber aus. Es gibt eine hörbar komplett nach-synchronisierte Szene, was zumindest akustisch etwas verwirrt. In einer Szene ist die Bildwiederholrate nicht richtig synchron was zu Rucklern führt, leider genau in der mit dem großartigen Tommy Krappweis, der seinen inneren Gandalf kanalisiert und voll ausleben darf, ein dadurch leicht getrübtes Highlight des Films. Das Color-Grading ist gelungen, gerade die Szenen auf dem Mars wirken dadurch deutlich greller, rötlicher und unwirtlicher, vielleicht hätte man aber etwas davon auch in die unterirdischen Szenen auf dem roten Planeten übernehmen sollen.
Man merkt oft: Der Film wurde kreativ um die Drehorte herum inszeniert, hier war also eher Function Follows Form die Devise. Es gab Dschungelszenen, die anfänglich auf den Azoren gedreht wurden. Erst später hatte das Produktionsteam dann das Dinosaurierkostüm, weswegen die Jagd durch den Dschungel offenbar in heimischen Wäldern gedreht wurde, was auch dazu führt, dass der Szenenübergang hier etwas seltsam wirkt und nicht so richtig zueinander passen will – aber was weiß ich schon über die Vegetationsvielfalt der Venus. Die Szenen auf dem Mars und auf Phobos wirken durch die realen Wüstenlandschaften, in denen sie gedreht wurden, wiederum faszinierend fremdartig, auch wenn der nachträglich eingefügte Sternenhimmel völlig starr bleibt, selbst bei Kameraschwenks. Dann gibt es viele Innenszenen, die an realen Orten, wie dem Museum für ägyptische Geschichte, der Absintheria Koblenz, dem Stadtschloss Fulda oder der Volkssternwarte Paderborn inszeniert wurden und damit das Steampunk-Thema sehr unterstützen.
Allgemein wurde auf CGI-Effekte möglichst verzichtet, die Raumschiffe erinnern daher in ihrer Trashigkeit an die berühmt-berüchtigte ZDF-Serie „Ijon Tichy“; Sie hängen an Drähten und bewegen sich auch entsprechend ruckartig-pendelnd vor dem Greenscreen. Ja, das macht Spaß und ist gerade für Filmfans ein Genuss.
„Weiß sie, was sie da tut?“ – „Meistens nicht. Aber es kommt immer etwas dabei heraus.“
Kommen wir zum Plot. Dieser ist vorrangig erstmal ein klassischer Abenteuerplot, wie er auch in einem Rollenspielabenteuer problemlos hätte vorkommen können, insofern scheint das Ziel eines Rollenspielfanfilms hier erstmal natürlich erreicht. Leider gibt es aber auch einige Schattenseiten. Einem erst groß eingeführtem Plotstrang über eine geschlechterbedingte Verwechslung wird eine finale Eskalation oder Belohnung durch die Story verweigert und einfach vorzeitig abgebrochen. Dann ist der Film mit zweieinhalb Stunden auch einfach zu voll geraten. Gerade im letzten Akt hat er starke Durchhänger, im Finale zerfasert der Film und verliert spürbar an Drive, besonders durch zu langgezogene Flashbacks um die „Angst“, welche die Protagonisten spüren und überwinden müssen.
Einige bizarre Nebencharaktere, machen auch nur bedingt Sinn, selbst in einem solchen überzogenen Setting. Insbesondere die schwankende Motivation des Gentleman-Schurken Zaharoff (Timo Hagemann) bleibt ein Rätsel. Das selbe gilt für die des Onkels der Protagonistin, Jack Armstrong (Hagen Grützmacher), dessen Aktionen offenbar auch nur vom Plot getrieben werden und entsprechend mal in die eine und mal in die andere Richtung ausfallen.
Helden von Anfang an
Die schauspielerischen Leistungen kann man als gemischt bezeichnen. Das trifft gerade auch auf Mháire Stritter zu, die hier die Hauptcharakterin Will Armstrong spielt. In einigen Szenen bringt sie ihre Dialogzeilen leider nicht organisch, sondern in dem selben routinierten und professionellen Tonfall vor, den sie sonst passend in ihren Rezensionen bei Orkenspalter TV einschlägt. Dort ist er auch völlig passend, hier wirkt er aber leider etwas aufgesetzt. In anderen Szenen, vor allen in Actionszenen, wiederum spielt sie glaubwürdig und mit spürbaren Elan und Spaß. Bei ihrem Gegenpart, Michel Verne (Anselme Champollion), scheint es umgedreht zu sein: Er liefert seine Dialoge glaubwürdiger ab, hat aber bei seinen Actionszenen ein paar spürbare Durchhänger, was aber auch daran liegen mag, dass er einen Schwertkampf im Raumanzug führen muss, bei dem er deutlich unterlegen sein soll, und dieser auch noch viel zu lange geht.
Insgesamt ist es bedauerlich, dass gerade bei beiden Hauptcharakteren kaum Entwicklung erkennbar ist, sondern sie bereits von Anfang an „fertige“ Helden sind. Immerhin kann Michel im Verlauf des Films einen Antagonisten von seinem Fehlverhalten überzeugen und dadurch dazu bringen, aufzugeben. Ansonsten schleppen sich aber die Charaktere von einem Konflikt zum nächsten, ohne dass sie auch nur den Hauch einer Katharsis erleben dürfen. Oder genauer: Es gibt eigentlich eine Katharsis, als ein Charakter einen engen Vertrauten verliert. Er rappelt sich danach aber schnell von dem Schock wieder auf und macht eigentlich weiter wie bisher schon. Gut, das selbe Konzept hat bei Indiana Jones auch nicht anders funktioniert. Auch der wächst nicht wirklich während der Filme sondern ist schon von Anfang an „fertig“. Und solche Charakterentwicklungen, oder besser das Fehlen dieser, sind auch in Rollenspielrunden häufig anzutreffen. Aber sie würden einen Film halt aufwerten.
Sprachen und Steuerung
Etwas ungewöhnlich für einen Film aus Deutschland ist auch noch die Sprachvielfalt des Films. Einige, durchaus längere, Parts werden in Englisch gesprochen, einige in Französisch oder gar Marsianisch. Natürlich werden diese Parts dann untertitelt. Das ist bei internationalen Produktionen auch durchaus Usus, bei der Umsetzung für den deutschen Filmmarkt wird aber meist alles „durchsynchronisiert“. Die Entscheidung dazu ist hier also durchaus zu begrüßen, warum aber auch die Exposition am Anfang komplett in Englisch stattfindet, bleibt mir rätselhaft.
Auch etwas problematisch ist die Steuerung der Blu-ray, der ein sonst in dem Medium übliches Pop-up-Menü fehlt. Dadurch ist der Zugriff auf Untertitel oder dem Audiokommentar etwas erschwert.
Trash als Kunstform
Was die Macher aber konsequent geschaffen haben, ist, den Spirit von Space 1889 zu treffen. Durch die gelungene und kurze Exposition am Anfang wird der Zuschauer schnell abgeholt und in das Szenario eingeführt. Für Fans des Rollenspiels gibt es viele Kleinigkeiten zu entdecken, wie die Gefahr des Verfaulens vom Flugholz, wenn es zulange in der Atmosphäre der Venus verbleibt. Sie kennen das Setting von Space 1889 und bleiben ihm treu. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie sogar für ihre Figuren vorher Charakterbögen erschaffen hatten. Die Liebe der Macher, die in das Projekt geflossen ist, kann man an allen Ecken und Kanten des Filmes sehen und spüren. Was oft wie Trash wirkt, ist letztlich halt doch auch eine Kunstform, die man erstmal meistern muss.
„Space 1889: The Secret of Phobos“ ist ein ambitioniertes Fan-Projekt und der Film ist, trotz einiger Probleme, nicht nur letztlich unterhaltsam, sondern eröffnet auch Neulingen einen Einblick in ein sonst nicht so alltägliches Rollenspiel-Setting. Und ich würde ein ähnliches Projekt von den selben Machern jederzeit wieder mitfinanzieren.
2 Antworten
Deine Rezension liest sich gut, ich finde sie aber viel viel viel viel zu positiv. Nachdem ich den Film gesehen hatte, wollte ich eigentlich mein Geld zurück. Hier haben sich einfach mal alle Beteiligen total überschützt…
Danke für Dein Feedback. Wie hast Du den Film denn gesehen? Im Kino oder auch im Heimkino?