Das El Royale liegt direkt auf der Staatsgrenze zwischen Nevada und Kalifornien, zur Hälfte in dem einem, zur Hälfte in dem anderen Staat. Doch das Hotel hat seine Glanzzeiten schon lange hinter sich, als ein Priester (Jeff Bridges), eine Sängerin (Cynthia Erivo) und ein Staubsaugervertreter (Jon Hamm) hier absteigen wollen, offenbar seit Tagen die einzigen Gäste hier. Doch schon als der Concierge Miles (Lewis Pullmann) dem Priester dringend empfiehlt, sich eine andere Bleibe zu suchen, wird klar, dass dies schon lange keine gute Absteige mehr ist. Und kurze Zeit später entdeckt man die geheimen Gänge hinter den Spiegeln der einzelnen Räume, in die auch noch eine aufmüpfige junge Dame (Dakota Johnson) einzieht, die eine spezielle Fracht in ihrem Kofferraum mit sich führt.
Eine Frage des Genres
Gibt es das „Tarantino-Genre“ eigentlich mittlerweile offiziell? Die Mischung aus stylischen Retro-Elementen mit knallharter Action und ebensolchen Twists hat Tarantino jedenfalls berühmt gemacht, doch überraschend wenige andere Regisseure wildern in diesem Bereich und noch weniger bekommen ein entsprechendes Budget um soetwas zu inszenieren heutzutage.
Drew Goddard scheint die Ausnahme zu sein. Als Regisseur hat er erst einen Film inszeniert: „The Cabin in the Woods“ (2012), geschrieben zusammen mit Joss Whedon. Der war nicht nur das Vehikel, das die Hollywood-Karriere von Chris Hemsworth zurück in die Spur brachte, sondern bewies auch das Talent Goddards für ungewöhnliche Stoffe. Danach zog er sich aber wieder zurück auf den Autorenposten und vermochte vor allen erfolgreiche Romane in Drehbücher umzuwandeln: 2013 war es „World War Z“, 2015 „Der Marsianer“, für dessen Adaption er sogar eine Oscarnominierung einheimste.
Seine Erfahrung hat Goddard aber im Serienbereich gesammelt: Unter Joss Whedon in „Buffy“ und „Angel“, unter J.J. Abrams bei „Alias“ und „Lost“, und letztlich auch federführend selbst bei „Daredevil“. Dabei sind die von ihm verfassten Episoden auf jeden Fall vielfältig zu nennen: In „Buffy“ bewies er mit „Conversation with Dead People“ ein Gespür dafür, Hoffnung mit Horror zu vermischen, in „Lost“ gab er in „The Man Behind the Curtain“ dem Antagonisten Ben (Michael Emerson) dessen faszinierendes Profil und für „Daredevil“ schuf er den Rahmen der besten Kampfszene im Netflix-Marvel-Universum bisher überhaupt.
Eine Frage der Besetzung
Kurz: Goddard macht seit Jahren generell gute Unterhaltung. Das Drehbuch von „Bad Times at the El Royal“ wurde dann auch in ganz Hollywood herumgereicht bis schließlich Fox, für die Goddard auch den „Marsianer“ adaptierte, anbiss. Schnell war Jeff Bridges von der Rolle des Vater Flynn überzeugt (leider ist nicht bekannt, ob die Namensgebung eine Hommage an seine Rolle in „Tron“ ist) und ja: sie passt zu ihm wirklich perfekt.
Auch Chris Hemsworth war bald wieder mit im Boot, wenn auch mit einer ganz anderen Rolle: Er ist hier der charismatische aber gleichermaßen sadistische Sektenführer Billy Lee, der gerne mit freiem Oberkörper herumläuft. Gut, letzteres ist nicht wirklich etwas Neues bei Hemsworth, die Rolle allerdings schon und hier glänzt er ehrlicherweise nicht wirklich, zu sehr ist er immer noch der nette Surfertyp von Down Under, als dass man ihn diese Rolle vollends abnehmen würde.
Problematischer war die Besetzung der schwarzen Sängerin Darlene Sweet, die viele Szenen mit ihrer Stimme ausfüllen musste, oft sogar ohne jede instrumentale Begleitung. Nachdem bereits Beyoncé für die Rolle gehandelt wurde, ist mit dem Broadway-Star Cynthia Erivo aber auch diese Besetzung überaus gelungen. Sie ist problemlos sogar in der Lage, neben Jeff Bridges zu bestehen und die Entdeckung des Films.
Komplettiert wird das generell gelungene Ensemble durch Dakota Johnson („The Social Network“), Cailee Spaeny („Pacific Rim: Uprising“), Jon Hamm („Mad Men“) und Nick Offerman („Parks & Recreations“, in einer leider sehr kleinen Nebenrolle) sowie dem mir bis hierher völlig unbekannten Lewis Pullman (in einer Rolle, die vernehmlich zunächst Tom Holland angeboten wurde).
Eine Frage der Story
Narrativ nimmt Goddard, wie schon erwähnt, viele Anleihen bei Tarantino. Der Spielort, ein Hotel 1969 im Nirgendwo an der Grenze zwischen Nevada und Kalifornien, dessen gute Tage schon sehr lange vergangen sind, könnte auch eins zu eins in einem Tarantino-Film die heimliche Hauptrolle spielen. Die Ausstattung dieses abgehalfterten Hotels ist zwar noch da, teilweise aber schon lange nicht mehr richtig gewartet und gepflegt. Man spürt noch den Spirit der 50er und 60er: Eine Jukebox thront im Hintergrund des Foyers – alles dominierend –, ein Sandwich-Automat daneben schimmelt langsam vor sich hin und eine damals moderne Super-8-Filmkamera gehört selbstverständlich auch irgendwo zur Ausstattung. Retro-Charme im Hintergrund, davor darf die Gewalt schnell eskalieren.
Dabei bleibt der Film aber dem Zuschauer gegenüber immer fair. Es gibt keine völlig unvorhersehbare Wendung, keine Deus-Ex-Machina-Einschreitungen. Goddard bereitet seine Wendungen sorgfältig vor und überrascht den geübten Zuschauer nicht mit etwas Unvohersehbares. Wenn ein Trope erkannt wird, ist es dies auch. Punkt. Diese Zuverlässigkeit kann schnell langweilen, ist hier tatsächlich ein Feature: Man kann sich auf die anderen Aspekte konzentrieren, wie sich hier ein Fiasco-Plot entfaltet und wie in einem gut-geölten Fargo-Ableger die einzelnen Zahnräder ineinandergreifen und alles auf ein unausweichlich großes Finale zusteuert.
Dazu gute Musik. Und ein wirklich guter Film entsteht auf dem auch Tarantino stolz sein könnte.