Queen Anne (1665–1714) erlitt ihr Leben lang größtenteils Fehlgeburten. Von 17 Schwangerschaften überlebten lediglich drei Kinder das Wochenbett, aber keines seinen zwölften Geburtstag. Als Ersatz pflegte die ältere Königin einen Haufen von 17 Hasen als Haustiere in ihrem Schlafzimmer.
So will es uns jedenfalls Regisseur Yorgos Lanthimos in „The Favourite“ erzählen. Die Anzahl der Schwangerschaften ist historisch überliefert, die Hasen nicht. Dennoch sind diese ein starkes Bild für die Trauer und auch die Einsamkeit einer Königin (grandios gespielt von Olivia Coleman). Um Queen Anne spinnen sich bald einige Ränkespiele, ausgeführt von manipulativen Frauen (nicht minder grandios: Emma Stone und Rachel Weisz), die nicht nur ihre Ehemänner sondern vor allen ihre Königin meisterlich beeinflussen.
Lanthimos’ bisher realistischster Film
Im Gegensatz zu seinen anderen Filmen ist „The Favourite“ Lanthimos’ bisher realistischster Film. Das Übernatürliche, dass in „The Lobster“ (auch durch Coleman) und auch in „The Killing of a Sacred Deer“ alle Handlungen formalistisch beeinflusste, existiert hier nicht. Es ist kein Film der Fantastik – auch wenn er auf dem Fantasy Filmfest White Nights lief.
Stattdessen fokussiert sich Lanthimos vor allen auf seine Protagonistin Abigail (Stone), welche eigentlich die Antagonistin ist, ändert doch erst ihr Auftauchen den Status Quo. Dieser ist durch den spanischen Erbfolgekrieg geprägt, welcher der Krone immense Kosten verursacht und im Parlament hohe Wellen schlägt.
Abigail führt uns in eine Story des „amerikanischen“ Traums: Von der mittellosen Magd aus ehemals reichen Adelshaus zur politischen Zentralfigur des damaligen Englands, welche beide politischen Mächte gegeneinander zu ihrem Vorteil auszuspielen vermag. Jede Erniedrigung nimmt sie in Kauf, wenn sie daraus nur Kapital schlagen kann. Und aus ihrer Wohltäterin Lady Sarah (Weisz) wird bald eine erbitterte Rivalin im Kampf darum, wer denn die „Favoritin“ der Königin sein darf.
Fokus auf die Geschichte
Der Film begeistert mit diesem Ränkespiel, aber er nimmt sich, von den Hasen vielleicht abgesehen, erstaunlich wenig Freiheiten. Queen Anne litt tatsächlich unter Gicht, Lady Sarah hatte tatsächlich erheblichen Einfluss auf die Königin und auch Abigail wurde tatsächlich zur Lady of the Bedchamber ernannt.
John Churchill und Lady Sarah sind Vorfahren von dem britischen Premier Winston Churchill, der England durch den zweiten Weltkrieg führte und die Nebenbuhlerin seiner Vorfahrin auch in seinen Büchern erwähnt, stellt selbst die Einführung von Abigail als Versuch von Sarah dar, mehr Zeit mit ihrer Familie auf dem Land zu verbringen.
All dies wird im Film auch in kleinen Nuancen geschildert, allerdings lässt der Film den Mann von Queen Anne, Prinz George, komplett verschwinden. Er wird nicht wirklich vermisst in der Story, vielleicht hilft seine Entfernung auch bei einer Fokussierung auf seine drei starken Frauen.
Stilismus
Aber an anderer Stelle nimmt sich der Film große Freiheiten. Sicher, die Kostüme sind nicht zeitgemäß, die gesellschaftlichen Tanzinszenierungen historisch auch mehr als fraglich und auch die vereinzelte Nutzung einer Fischaugenkamera verwirrt. Richtig anstrengend ist aber, gerade für einen Grafikdesigner, die extreme Sperrung der Schrift in den Einblendungen. Da diese zusätzlich in Kapitälchen gesetzt ist, sind diese teilweise nicht in der Kürze der Zeit rechtzeitig entzifferbar. Bitte nehmt dies nicht als Trend, Filmemacher!
Preise und Fazit
Olivia Coleman hat einen Golden Globe als beste Hauptdarstellerin in einem Musical oder Komödie für „The Favourite“ gewonnen, Stone und Weisz wurden als beste Nebendarstellerinnen nur nominiert und auch für das beste Drehbuch oder besten Film (Musical oder Komödie) hat der Film lediglich Nominierungen eingeheimst. Im Rennen um den Oscar ist er damit nicht in eine Favoritenrolle geschlüpft, obwohl er auf dem Weg dorthin bereits zahlreiche Nominierungen und Gewinne anderer Preise auch noch einheimsen konnte. Doch noch ist alles offen und die Oscar-Nominierungen noch nicht einmal bekannt.
Wobei man sich schwertut, ob die Aufteilung von Coleman als Haupt- und Stone und Weisz als Nebendarstellerinnen durch die Globes überhaupt gerechtfertigt ist. Immerhin trägt vor allen Stone den Film, dessen Figuren sich alle zugegeben um Coleman drehen. Und Weisz ist vielleicht die tragischste Figur von allen. Wenn man vielleicht von dem Tory absieht, der aus unerfindlicher Dekadenz mit Granatäpfeln beworfen wird oder der armen Ente, die regelmäßig Gassi gehen muss.
Das Werk von Lanthimos hatte ich schon vor diesem Film mit einer großen Faszination verfolgt. „The Favourite“ sollte seinen Durchbruch ins große Autorenkino darstellen und es ist schwer vorherzusagen, was dem folgen wird. Aber das waren die Filme von ihm schon immer.