Jojo Rabbit (Kritik)

Der zehnjährige Jojo (Newcomer Roman Griffin Davis) hat sich seinen großen Traum erfüllt und ist endlich in die Hitlerjugend eingetreten. Er ist von der Nazi-Propaganda völlig begeistert und hat sich sogar einen imaginären Freund erschaffen, der praktischerweise Hitler (Taika Waititi, 5 Zimmer, Küche, Sarg) selbst ist.

Doch das Trainingsprogramm unter Captain Klenzendorf (Sam Rockwell, Three Billboards Outside Ebbing Missouri), Fräulein Rahm (Rebel Wilson, Pitch Perfect) und Assistent Finkel (Alfie Allen, Game of Thrones) liegt ihm dann doch nicht so gut, wie er sich das ausgemalt hat. Bald wird er daher als Feigling („Rabbit“) abgestempelt und verletzt sich, trotz direkter Hilfe seines imaginären Führers.

Als Jojo dann zuhause entdecken muss, dass seine derzeit alleinerziehende Mutter Rosie (Scarlett Johansson, Her) auf ihren Dachboden die junge Jüdin Elsa (Thomasin McKenzie, Leave No Trace) versteckt, bricht für ihn seine heile Nazi-Welt zusammen und Einbildungs-Hitler ist auch nicht gerade für diese Situation ein herausragend guter Berater.

JOJO RABBIT - 2. Offizieller Trailer (deutsch/german) | 20th Century Studios

Weiterer Waititi Wahnsinn

Taika Waititis Filme waren lange Zeit Geheimtipps: 5 Zimmer, Küche, Sarg, Boy oder Wo die Wilden Menschen jagen sind wahre Perlen. Dann kam Marvel und mit Thor: Tag der Entscheidung schaffte der Neuseeländer es, seinen speziellen Humor auch in einen Hollywood-Blockbuster anzubringen, damit ein großes Publikum zu begeistern und nebenbei einem bisher eher schlecht aufgestellten Zweig des Marvel Cinematic Universe auf ein ungeahntes Niveau hochzuheben. Doch auch danach widmet er sich weiter seiner Improvisationskunst.

Mit viel Elan durch den Hitlerjugendübungsplatz explodieren (Taika Waititi und Roman Griffin Davis, Foto: 20th Century Fox)

Es ist übrigens ein seltsamer Zufall, dass fast alle Filme von Waititi im deutschen Kino unter einem anderen Namen als im Original liefen (What We Do In the Shadows, Hunt for the Wilderpeople, Thor: Ragnarok, …). Jojo Rabbit ist dabei also eine Ausnahme von dieser Regel. Das könnte auch daran liegen, dass sich das Thema des Films in Deutschland vermutlich schwer tun wird und er auch vergleichweise spät bei uns anlaufen wird.

Humor in Zeiten des Nationalsozialismus

Dabei sollte die Frage, ob man über eine Geschichte, die zu Zeiten des Nationalsozialismus spielt, lachen darf spätestens seit dem Oscar-Gewinn von Das Leben ist Schön 1999 geklärt sein. Ja, man darf. Erst recht, wenn man nebenbei die Schrecken dieser Zeit nicht verharmlost.

Auf dem Dachboden ist ein „böser Jude“ (Roman Griffin Davis, Thomasin McKenzie. Foto: 20th Century Fox)

Jojo Rabbit ist dann auch gar nicht einfach nur Komödie. Der Film driftet sehr oft, und streckenweise auch lange ins Drama ab. Vor allen im dritten Akt taucht „Hitler“ entsprechend nur noch in einer Szene auf. Waititi zeigt den Schrecken offen und lässt den imaginären Hitler wohlweislich nicht den Film überschatten.

Ein imaginärer Freund soll auch Orientierung bieten. Ob dies der Führer kann, ist aber mehr als zweifelhaft (Taika Waititi, Roman Griffin Davis. Foto: 20th Century Fox)

Es gibt aber auch Parts, den man als Deutschsprachler nur schwer ertragen kann. In diesem Fall ist es nicht die Thematik des Filmes, sondern die aufgesetzten Pseudo-Deutsch-Akzente, mit denen alle Darsteller im englischen Original sprechen. Das strengt das Ohr extrem an und selten sehnt man sich nach einer Synchronfassung so sehr, wie hier, auch wenn man alles versteht.

Grandioses Ensemble

Trotz dieses krass aufgesetzten Stilmerkmals muss man die Darsteller aber in vollen Zügen loben. Vor allen der junge Griffin Davis, der hier sein Filmdebüt feiert, spielt mit einer unbändigen Begeisterung und Unschuld das von der Faszination des Faschismus manipulierten Kindes.

Eine liebevolle Beziehung zwischen Mutter und Sohn, die durch die Umstände mit Misstrauen versauert wird (Scarlett Johansson, Roman Griffin Davis. Foto: 20th Century Fox)

Aber auch Scarlett Johansson glänzt als ihn gleichermaßen liebende wie fürchtende Mutter, die aus Überzeugung das Richtige tun will, aber nicht weiß, wie sie zu ihrem indoktrinierten Jungen noch durchdringen kann, ohne Alles zu gefährden. Und selbst Sam Rockwell und Alfie Allen quetschen aus ihren stark überzeichneten Figuren Sympathie (und noch etwas Anstand) hervor.

Fazit

Taika Waititis Filme, und vor allen sein besonderer Humor sind sicherlich nicht für jeden zugänglich und Jojo Rabbit ist in dieser Hinsicht auch keine Ausnahme. Eine Geschichte um Toleranz in einer intoleranten Welt ist aber eine, die immer wieder erzählt werden sollte und dies in Waititis Stil zu tun ist genauso valide und genauso wichtig wie rein ernste Stoffe.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
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