Blutsauger

Ein sowjetischer Arbeiter träumt von einer Filmkarriere, fällt dabei aber der politischen Wirklichkeit zu Opfer und flieht nach Hollywood. Auf dem Weg dorthin strandet er aber in einem deutschen Ostseebad. Hier gibt er sich nun als verfolgter Aristokrat aus und lernt die gelangweilte junge Fabrikbesitzerin Octavia Flambow-Jansen kennen, ein ideales Opfer für seine Rolle, um etwas Geld für die weitere Überfahrt zu bekommen. Doch sie erwischt ihn, und nun soll stattdessen ein Film über Vampire entstehen, während die Gegend selbst von seltsamen „Flohbissen“ heimgesucht wird …

Blutsauger (offizieller Trailer)

Eine gute darstellerische Leistung ist dann gegeben, wenn man nicht mehr den Menschen hinter der Rolle, sondern nur noch die Rolle selbst sieht. Mit diesem Prinzip bricht bereits das Intro dieses Filmes, in dem die Darsteller ihre Texte schlimmer als in den meisten Laientheatern aufsagen, voll falscher Betonungen und mit dem Charme einer auslaufenden Wärmflasche. Auch später sind die darstellerischen Leistungen noch extrem gestelzt und verschärfen damit die anachronistische Grundidee, in welcher die Dialoge Anfang des 20. Jahrhunderts zurückdatiert scheinen, das Bild aber aus unterschiedlichsten Zeiten zusammengemischt ist und sich an einer malerischen Ostsee-Küste in Sehnsucht verliert. Kurz wird darüber diskutiert, dass demnächst der Stumm- durch den Tonfilm abgelöst werden würde, in einer anderen Szene sieht man moderne Ozeandampfer und Coca-Cola-Dosen auf dem Tisch stehen. Der Film versucht noch nicht einmal, diese Widersprüche zu erklären sondern lässt einen damit alleine – und erzeugt damit ein Gefühl, als würde eine Laiendarsteller-Truppe mit ein paar Hochkarätern zusammen einen Wes-Anderson-Film mit all dessen Absurdität aber ohne großartiges Budget inszenieren wollen.

Recht schnell ist der falsche Adlige überführt – aber damit endet diese Farce noch lange nicht (Lilith Stangenberg, Alexander Herbst, Alexandre Koberidze. Fotos: Grandfilm)

Allgemein stellt sich der Film von den ersten Szenen vor allen als ein inszenatorischer Unfall dar, der eine seltsam morbide Faszination der Schaulustigkeit an einem schrecklichen Unfall provoziert. Nur dass dieser Unfall hier inszeniert wurde und man irgendwo eine Metaebene vermutet und versucht diese zu identifizieren. Klar: Es geht um die Analogie von Kapitalismus und Vampirismus, die offenbar Marx selbst schon identifiziert hatte, und die hier in allen Bereichen durchscheint. Ständig wird sich vor Vampiren gefürchtet – und genauso ständig wird die Angst vor den Blutsaugern heruntergespielt. Dieses Gleichnis wird entsprechend auch konsequent auf die Spitze getrieben – um dann vorzuführen, wie sehr wir uns selbst in einer kapitalistischen Welt aussaugen lassen.

Diese Vampire agieren entsprechend aus Langeweile, werfen ihr Geld auf alles und jeden, das sie kurz ablenken vermag, während sich das Proletariat in Kampfparolen und gegenseitigen Anschuldigungen verstrickt und dadurch nicht ansatzweise vorwärts kommt – eine treffende Analogie zu unserer Zeit, wodurch der Anachronismus in den Bildern durchaus treffender wird.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
docron.de

Kritiken zu Serien, Filmen und seltener auch Rollen- und Brettspiele …