Everything Everywhere All at Once (mit dem zwangsläufigen Vergleich mit Doctor Strange in the Multiverse of Madness)

Evelyn Wang (Michelle Yeoh, Crazy Rich) ist China-stämmige Einwanderin und führt zusammen mit ihrer Familie einen Waschsalon, der sich mit allerlei unerfolgreichen Nebengeschäften mehr schlecht als recht übers Wasser hält. Doch plötzlich eröffnet sich ihr ein Einblick auf ihre anderen Ichs im Multiversum, doch warum passiert das unbedingt jetzt, wo die gestrenge Steuerprüferin Deirdre Beaubeirdre (Jamie Lee Curtis, True Lies) ihr auf die Pelle rückt?

Everything Everywhere All At Once - Trailer (deutsch/german; FSK 12)

Ist es ein kosmischer Zufall, dass fast zeitgleich zwei Filme über Multiversen in den Kinos angelaufen sind (Everything Everywhere All at Once am 28.04.2022 und Doctor Strange in the Multiverse of Madness am 02.05.2022)? Vermutlich eher die Programmplanung der Verleiher, aber gerade dadurch müssen sie sich auch gefallen lassen, dass man beide Filme zwangsläufig miteinander vergleicht.

Dabei sind die Filme allein schon vom Budget her unterschiedliche Kaliber. Mit 200 Millionen gegen 25 Millionen ist der Marvel-Film eine andere Größenordnung. Das sieht man auch – in der Ausstattung, in den Spezialeffekten oder auch in der cineastischen Wucht. Everything Everywhere All at Once macht die Begrenzung des Budgets allerdings mit schierer Kreativität und dem deutlich besseren Buch wett. Während Doctor Strange sich in die Fußstapfen von Tony Stark als Unsympath begibt und damit Probleme und Gegner im wahrsten Sinne des Wortes heraufbeschwört, ist Evelyn Wang klar die konturenreichere Figur. Sie hat, im Gegensatz zum Sorcerer Supreme, klare Bedürfnisse indem sie sich nach wenigstens einen Erfolg in ihrem Leben sehnt. Und stellt im Laufe der Story fest, dass es tatsächlich etwas ist, dass sie bereits verloren hat, was sie wirklich braucht.

Malt die Steuerbeamtin Deidre (Jamie Lee Curtis) zufällig einen schwarzen Kringel auf diesen Beleg? (Foto: A24/Leonine)

Diese klare Definition von Want und Need im Storytelling, die als eines der Erfolgsrezepte von guten Geschichten gilt, fehlt bei Doctor Strange leider zu großen Stücken. Hier wird der Doctor einfach nur in ein Abenteuer geworfen, seine unerwiderte Liebe zu Dr. Christine Palmer bleibt mal wieder unerwidert und der einzige Moment, in dem er eine heldenhafte Entscheidung trifft, bleibt ohne eine wirkliche Weiterentwicklung des Charakters. Vielleicht ist das auch das Problem der Marvel-Formel: Charaktere dürfen sich kaum entwickeln im Laufe eines Filmes, da sie mit dem alten Mindset auch noch in anderen Filmen gebraucht werden?

So wird dann auch die Geschichte von Evelyn Wang in einem einzigen Film auserzählt. Dieser Film braucht keine Fortsetzung, die Charaktere sind allesamt ans Ende ihrer Reisen angekommen. Und es spricht für die Kreativität der Macher des Films, dass man das Gefühl hatte, hier unbändig bunterere Dimensionsreisen erlebt zu haben.

Und den besseren Einsatz von einem dritten Auge auf der Stirn hatten sie auch.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
docron.de

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