Davids Mutter ist gerade auf dem Highway von Night City in einer Schießerei draufgegangen. Der Teenager muss sich daher nun allein durchschlagen, und das ohne jede Eddies, mit denen er seine Ausbildung an der Arasaka-Akademie noch bezahlen könnte. Gezwungenermaßen rutscht er so auf die Straße und schnell auch ins Illegale. Er macht dort Bekanntschaften mit Cyberpunks, Kriminellen, die sich selbst hochrüsten, um im harten Kampf gegen, aber auch für die Konzerne bestehen zu können. Und er stellt dabei zufällig fest, dass er ein ganz besonderes Talent für ein solches Leben besitzt.
„Adaptionen zu Computerspielen sind nie erfolgreich!“ Das ist eine Faustformel, die fast immer zutraf, denn meistens müssen Film- oder Serienmacher hier irgendeine Vision von einem Computerspiel wiederholen, häufig ohne diese wirklich zu verstehen. Oder die Story eines Computerspiels funktioniert einfach nicht eins zu eins umgesetzt in einem Medium, das man nicht aus der Egoperspektive selbst spielt. Ausgerechnet Netflix hat aber nicht nur letztes Jahr mit Arcane bewiesen, dass das auch sehr viel besser geht – knapp ein Jahr später beweisen sie erneut, dass solche Adaptionen derbe gut funktionieren können: Cyberpunk: Edgerunners ist ein herausragendes Beispiel für eine gelungene Adaption, die genau das nämlich nicht ist: Eine Adaption.
Die Grundlage bildet hier eine völlig eigenständige Story mit eigenen Protagonisten, die eben nicht die Vorgeschichte oder gar eine ähnliche Geschichte zu dem Computerspiel schildert, sondern einfach nur in demselben Sandkasten mit einer sehr ähnlichen Förmchen-Auswahl spielt. Aber halt mit eigenen, starken Charakteren, einer eigenen aus dem Anime genommenen Ästhetik und vor allen einer eigenen Geschichte. So spielt es auch keine Rolle, dass die Serie fast zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Computerspiels Cyberpunk 2077 herauskommt, aber zeitlich diesem vorausgeht. Man muss das Spiel nicht gespielt haben und man muss auch die Serie nicht kennen, um alles nachvollziehen zu können. Wenn man das andere aber jeweils kennt, findet man ein paar kleine Verbeugungen, einzelne Charaktere, die in beiden vorkommen, aber das ist auch alles.
Zwar ist der Einstieg durchaus herausfordernd, denn sowohl Serie, als auch Computerspiel, erklären wenig, sondern werfen Zuschauer oder Spieler einfach in die Handlung. Man muss sich vieles selbst erarbeiten, kann das aber auch relativ gut ohne das Kompendium vom Cyberpunk: Red-Rollenspielregelwerk, denn das Setting erklärt sich selbst schnell und bleibt dabei fair, ohne dass sich ewig-lange Expositionen nicht harmonisch einfügen. In der Serie geraten wir so schnell auf die Seite vom Protagonist David, leiden und fiebern mit ihm mit, werden aber auch durch eine Vielzahl gut geschriebener weitere Charaktere ins Setting hineingezogen. Vielleicht ist der Anime-Stil stellenweise zu überzeichnet, zu krass neongelb, aber erinnert dann doch in seiner Bildsprache an das Erlernte aus zeitlosen Klassikern wie Akira.
Netflix hat weitere Adaptionen von Computerspielen angekündigt. Haben sie dafür tatsächlich ein Händchen? Wenn das nur ansatzweise so gut wie das hier wird, gerne mehr. Viel mehr. Rüstet auf!