In einer nahen Zukunft arbeitet Mila (Friederike Kempter, Tatort (Münster)) größtenteils aus dem Home Office und ist daher umgeben von allerlei modernen Tech-Gadgets, die ihr das Leben einfacher machen sollen. Doch das neueste ist ein eigener, männlicher Roboter, eines von vier neuen Testmodellen, den sie sich nach Hause liefern lässt. Bo (Madieu Ulbrich, Life’s a Glitch with Julien Bam) ist alles, was sie sich von einer Beziehung immer gewünscht hatte, oder?
„Nur ein Bienchen gegeben!“
Umgeben von smarten Assistenzsystemen ist das Leben von Mila und ihren Freunden und Familie bequem, aber auch unpersönlich geworden. Entsprechend frustriert ist sie auch in ihrem Sexlife, das trotz Schnelltests auf alle möglichen STDs und moderner Dating-Apps meist steril bleibt und in ihr den Impuls zur Flucht triggert. Der Grund: Sie kommt über ihren Ex, David, einfach nicht hinweg und riskiert so lieber schlechte Bewertungen im Dating-Portal.
Ja, hier geht es um weibliche Sexualität und aus dieser Perspektive werden alle Klischee-Kisten aufgemacht und dann noch mit einem Sci-Fi-Klischee weitergedacht. Die Serie borgt sich viel bei Her (2013): warme Bilder mit vielen Rottönen werden immer wieder kurz durch Tech-Elemente aufgelockert und dann doch wieder mit für die Serie ansonsten anachronistischen Elementen aus der heutigen Zeit durchbrochen. Hipster gibt es offenbar auch noch in dieser Zukunft. Während in der Fahrt in der U-Bahn eine extrem klobige Smart-Brille das Betrachten von Nachrichten und Werbung ermöglicht, wird in einem Wartezimmer aber immer noch in leicht versifften Zeitschriften geschmökert. Und zum Flohmarkt wird sich über visuell handgeschriebene Kurznachrichten am Smart-Badezimmerspiegel verabredet versucht. Das macht es natürlich für das Set-Design einfacher, kann man doch auf heutiges problemlos zurückgreifen.
In Milas Seelenleben bekommen wir vor allen durch ihre Dialoge mit Freunden und ihrer aufsässigen Schwester (Heike Makatsch, die hier überzeugend ihr altes Viva-Girl-Image abgehalftert aufpoliert) einen Einblick. In die von Companion-Bot Bo aber durch seine Pinocchio-hafte Entdeckung der Welt durch oberflächliche Kontext-Informationen. Diese Kontexte werden als Overlays auf seine Sicht gelegt, die wir dann wie die Ikea-Katalog-Etikettierungen aus Finchers Fight Club (1999) erscheinen sehen. Diese Inhalte werden von ihm jedoch oft fehlerhaft interpretiert, offenbar ist seine Intelligenz noch nicht ausreichend mit Captchas gefüttert worden, so dass er bspw. Trauben und Oliven noch nicht auseinanderhalten vermag.
Das ist dann vielleicht auch das zentrale Problem der Serie: Während die Macher:innen recht gut mit den Beziehungsproblemen agieren weiß, sind die Sci-Fi-Ideen nicht wirklich innovativ und wirken teilweise, als wären es Ideen, die Ende der 1980er Androiden interessant gemacht hätten. Die Serie weiß nicht so recht, was sie neben der Lovestory und der daraus folgenden Ablehungsreaktionen der Familie und Freunde von Mila gegenüber Bo, noch erzählen soll. Sie schneidet nur ein paar interessante Ideen an – wie die konstante Überwachung der Bot-Besitzerinnen, oder dem Freiheitsdrang von künstlichen Geschöpfen – ohne diese aber wirklich zu mehr als kleinen Plotpunkten zu machen. Ja, letzteres bildet eine letzte Eskalationsstufe für das Finale, aber letztlich ist sie auch nicht konsequent zu ende gedacht. Leider.
Auch die Tatsache, dass man Bo einfach ausstellen kann, ist für Mila einfach nur praktisch und für die Autor:innen ebenfalls nur praktisch. Man hätte hier deutlich mehr daraus machen können – was macht das mit Bo? Ist das nicht ein Ohnmachtsgefühl? Sollte dies nicht zu Resentiments führen? Klar, manches ist nur interessantes Dekor und manches hilft auch nur der Comedy oder dem Beziehungsdrama weiter.
„Was machst du?“ – „Spielen!“ – „Bekommt man da Punkte?“
Apropos Comedy: Die eigentlich ja mehr Dramedyserie verzichtet positiverweise auf einen Laugh-Track und will auch gar nicht wirklich ins Comedy-Genre reinpassen. Streckenweise wirkt dies tatsächlich wie eine Black Mirror-Episode die auf Brutalität verzichtet und stattdessen das Zwischenmenschliche stärker in den Vordergrund stellt. Und während Black Mirror in aller Regel nur Dystopien darstellen darf, ist hier vieles eine Utopie über eine Welt, in der wir durchaus viele positive Aspekte abgewinnen können. Und sei es nur, dass die Auslieferung von Bo gerade mal eine knappe halbe Stunde vom Verladen bis zur Zustellung dauert.
Interessanter wird die Serie immer dann, wenn es um die Beziehung zwischen Mila und Bo und die Auswirkungen dieser auf andere geht. So wird offen über die Penis-Attachments gesprochen, die als Zubehör zusätzlich erworben werden können und in der „Tender Hearts“-Papiertüte ähnlich ikonisch wie ein Apple-Gerät verpackt wird. Samt etwas Gratis-Lotion. Aber das ist nicht das einzige: Der Love-Droid ist nicht nur für das Schlafzimmer gedacht, sondern muss auch in der Vorstellung von Up-Selling und Folge-Verkäufen regelmäßig wie eine Ken-Puppe mit viel Luxus eingekleidet werden.
Und da er noch so neu ist, ist auch die noch so liberale Umgebung der Zukunft immer noch nicht entsprechend darauf eingestellt und prompt löst der Dildo einen Alarm in der Warensicherung aus – die offenbar auch einfach als Metall-Detektor nebenjobbt um eine unangenehme Situation ins Drehbuch zu packen. Auch andere unlogische Aspekte, wie eine unzureichende Wasserdichtigkeit am Kopf, werden ebenso einfach für den Plot gedroppt. Etwas mehr Worldbuilding mit einer durchdachteren Logik wäre hier schon begrüßenswert gewesen.
Fazit
Wenn man die Serie nun als Mischung aus Sex and the City und Black Mirror betrachtet, ist es klar die erstere, die hier im Vordergrund steht. Ärgerlicherweise gibt es gute Ideen, die aus dem Sci-Fi-Bereich immer mal wieder auftauchen, dann aber meist ignoriert oder nicht richtig beleuchtet werden. Ja, das ist ein schwieriger Balanceakt und es ist auf jedem Fall zu begrüßen, dass auch im deutschen Serienbereich sich mittlerweile immer öfter an Stoffe aus der Fantastik gewagt werden.