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Oscar-Nacht 2023 Fazit

Oscars so früh?

Angenehme Überraschung: Durch die Sommerzeit, die in Kalifornien bereits gilt, hierzulande jedoch nicht, fängt alles eine Stunde eher an. Und ich kann eine Stunde früher ins Bett fallen. Sobald ich diesen Bericht fertig habe, meine ich …

Teppich-Läufer

Steven Gätjen macht wie immer eine souveräne Übertragung vom Red Carpet, der dieses Jahr (offenbar seit den 60er Jahren erstmals) nicht mehr rot ist, sondern „champagnerfarben“, wie immer wieder betont wird – also eigentlich nur ein helles Beige hat. Hauptsache, es kontrastiert gut zu den Kleidern. Wie immer ist Stevens Part aber vor allen durch sein Interesse an den Filmen und sein profundes Filmwissen geprägt, und auch wenn die ProSieben-Entertainment-Marke Red dransteht, werden wir nicht von irgendwelchen Designer-Kleidermarken-Nennungen genervt. Danke ProSieben, dass ihr nur noch Steven das machen lässt. Das kann keiner so gut wie er – auch wenn die Darstellerinnen und Darsteller immer noch im Hintergrund an ihm vorbeiziehen und größtenteils ignorieren. Immerhin Austin Butler, nominiert für die beste Darstellerleistung in Elvis, bekommt er durch ein äußerst charmantes Anbiedern bei dessen PR-Agentin noch vor das Mikro. Bester Mann!

Kimmel war schon besser drauf

Klassischer Anfang, Kimmel springt mal wieder durch die Filme des Jahres und letztlich mit einem Fallschirm aus dem Top Gun Jet direkt auf die Bühne und versucht dann einen sehr traditionellen Roast der Hollywood-Darlings. Dabei stellt er auch hervor, dass der nominierte Komponist John Williams dieses Jahr der älteste Nominierte (91 Jahre) der Oscar-Geschichte sei. Insgesamt bleibt er dabei aber relativ brav, aber vergeigt auch den ein oder anderen Gag.

Positiv: Es gibt wieder keine Kategorien vorher gespoilert (danke!) und jede der 23 Trophäen wird zum gleichen Zeitpunkt vergeben. Aber: Dann spoilert Kimmel doch eine Kategorie: Im Westen nichts Neues wäre der Gewinner des besten Films, und so gratuliert er Deutschland. Öhm … Danke? Sorry, aber der Gag ging wie so mancher etwas daneben.

Insgesamt also ein Auftritt, den Kimmel eigentlich deutlich besser kann. Kein so guter Auftakt, trotz der niedlichen Idee, dass die Zu-Lange-Redehalter:inner nicht vom Orchester übertönt, sondern von dem Ensemble von RRR von der Bühne getanzt werden. Was dann aber trotz Ankündigung leider nicht einmal passiert.

Werbung

ProSieben hatte immer schon Probleme, alle Werbeblöcke mitten in der Nacht sinnvoll zu verkaufen, zumal sie auch einige gar nicht werberechtlich benutzen dürfen. Das heißt es gibt meistens einige Blöcke, in denen nur Trailer nominierter Filme laufen. Enttäuschenderweise kamen sie bisher nie auf die Idee, diese Trailer vor den jeweiligen Kategorien zu platzieren, sondern spielen immer wieder dieselben Spots. Und wieder. Und nochmal. Dieses Jahr kam dann aber auch noch ein von Netflix großzügig gebuchter Spot über ihre Oscar-nominierten Filme hinzu. Entsprechend haben wir neben absolut nervigen Glücksspiel-Werbungen nun noch mehr sich ständig-wiederholende Filmwerbungen. Ja klar, es ist schwer für eine eh schon kleine Zielgruppe mitten in der Nacht Werbespots zu verkaufen. Aber die ganzen Trailer werden dann noch mit weiteren Trailer, die direkt zur Vorstellung der Filme in der Verleihung ergänzt. Das ist dann doch eine ganze Menge Trailer. Und noch nervigeres Glücksspiel.

Reden

„Mom, I just won an Oscar!“ – Ke Huy Quan, während er die Trophäe in die Kamera hält, völlig die Fassung verlierend.

„We just won an Oscar!“ – Jamie Lee Curtis bedankt sich bei allen, mit denen sie über die vielen Jahre zusammengearbeitet hatte und erwähnt dabei auch ausdrücklich all die Genre-Filme, in denen sie über all die Jahre mitwirkte (und die von der Academy nie honoriert wurden). Mein Tipp, das dieses Jahr der SF-Film Everything, Everywhere All At Once großer Abräumer werden könnte, gewinnt immer mehr Rückenwind. Und es sind gerade mal erst drei Reden am Abend passiert, da habe ich schon vor Freude was im Auge.

„Happy Birthday dear James“ – die Kurzfilm-Oscar-Gewinner stimmen kurzerhand mit dem ganzen Saal an zu singen für einen der ihren.

Die Daniels danken tatsächlich ihren Lehrern und erzählen, wie sie Selbstzweifel und ein Imposter Syndrom gemeinsam überwunden haben. Dass sie tolle Filme gemeinsam machen, ist schon lange bekannt, aber dass das auch offenbar tolle Menschen sind, was sie auch bei ihren weiteren Gewinnen am Abend unter Beweis stellen. Vorher war ich nur ein Fan ihrer Filme.

„Ladies, don’t let anyone tell you, that you are past your prime“ – Michelle Yeoh, die ihren Oscar ihrer und allen Muttern der Welt widmet, die wirklich die Superheldinnen der Welt sind.

Music Acts

Es wird bei den Oscars generell live gesungen. Dass das nicht immer eine gute Idee ist, hört man ausgerechnet bei dem Song aus Everything, Everywhere all at Once – das ist extrem schräg. Aber immerhin hat der Sänger Hot-Dog-Finger zum Wedeln.

Spaß bringt dann erwartbar der Song von RRR – wer kann einem buten Bollywood-Tanz mit Hosenträgern in Hollywood schon widerstehen? Was für eine tolle Performance. Könnte sogar sein, dass ich leicht mitgeklatscht habe. Aber verratet das keinen.

Und beim Top Gun-Song wird es nochmal emotional – erst weil Lady Gaga groß erklärt, wie persönlich dieser Song für sie ist und am Ende, in dem kurz an Regisseur Tony Scott erinnert wird. Noch emotionaler wurde dann Rhiannas Lift Me Up, das natürlich mit einem Gedenken an Chadwick Boseman startete.

Generell aber: Meinetwegen könnte man auf diese Einlagen auch komplett verzichten. Aber meinetwegen könnte man auch auf Werbung verzichten.

Meine Tipps

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Drei Oscars für Im Westen nichts Neues – ein sehr gutes Zeichen, nicht nur für den deutschen Film, sondern auch für den durch Streamingdienste finanzierten Film. Hatte ich dennoch nicht mit gerechnet – vor allen nicht, dass sich Volker Bertelmann gegen eine Legende wie John Williams durchsetzen kann. Dass offenbar niemand in Hollywood „Volker“ richtig aussprechen möchte, ist man ja fast schon gewohnt. Immerhin wissen sie ja auch genau, dass Volkswagen mit einem harten W am Anfang ausgesprochen wird, wieso sollte das hier anders sein?

In Memoriam

John Travolta moderiert mit brüchiger Stimme den Part an, wobei man sich leider etwas unsicher sein muss, ob das nun seine Schauspielkunst oder ob er irgendetwas seltsames vorher geraucht hat. Lenny Kravitz singt deutlich einfühlsamer Calling all Angels und es wurden auf dem ersten Eindruck im Segment auch keine wichtigen Persönlichkeiten übersehen. Nichelle Nichols, Angela Lansbury, Wolfgang Petersen, James Caan, Raquel Welch, Gina Lollobrigida, … ihr werdet fehlen.

Politisches

Nawalny gewinnt die beste Doku und setzt damit auch ein Statement über die schwierige Situation in Russland. Und entsprechend sind es auch die Filmemacher und die Frau vom Oppositionspolitiker, die durch den Sieg ein Statement setzen können, das die Academy sonst bedauerlicherweise nicht setzen wollte dieses Jahr.

Jessica Chastaine trug offenbar als einzige im Publikum noch eine (modische) Atemmaske, die sie nur abnahm, als sie Teil eines Gags mit Kimmel wurde und gleich danach wieder aufsetzte – und auch später, als sie die Darsteller:innen-Oscars präsentierte nicht trug. Interessant.

Ansonsten hat keiner der Teilnehmenden öffentlichkeitswirksam jemanden geohrfeigt. Das ist ja auch schon etwas …

Der beste Film

Im Laufe des Abends zeichnete sich bereits erfreulicherweise ab, dass die Daniels mit ihrem Film Everything, Everywhere all at Once groß abräumen würden – und das war genau meine Prognose gewesen. Selbst den Regieoscar (den ich ihnen in meinem Tipp nicht gönnen wollte) ging an sie. Dann war schon der Applaus bei der besten Hauptdarstellerin bei Michelle Yeoh so deutlich größer, dass eigentlich nichts mehr den Durchmasch aufhalten würde.

Und so kam es dann auch: Harrison Ford verkündete, unter großem Jubel von Co-Star Ke Huy Quan, der mit ihm zusammen seine Karriere einst als kleiner Junge neben Indiana Jones beginnen durfte, nochmal die zehn Nominierten. Und dann, dass tatsächlich Everything, Everywhere all at Once den großen Preis des Abends bekam.

Das ist meines Wissens nach der erste Science-Fiction-Film überhaupt, der diesen Preis bekam und das macht mich gerade unheimlich glücklich.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
docron.de