Dead Boy Detectives
Statt Culture- gibt es hier mal einen Generation-Clash unter eigentlich Gleichaltrigen, die aber halt in unterschiedlichen Generationen verstorben sind, wodurch edwardianische Stoik auf Punker-Kultur der 80er trifft. Das allein ist schon sehr unterhaltsam, wird aber durch knackig erzählte übernatürliche Fälle der Woche und einem dynamischen Metaplot angenehm ausbalanciert.
Eine Mischung faszinierender, humorvoller und charismatischer (Neben-)charaktere tut ihr übriges ein vielfältiges, queeres und buntes Umfeld zu schaffen, das nur leider bisweilen in einem extrem dunklen Bild absäuft (ja, HDR rettet etwas).
Netflix | 8 Episoden
Shōgun
Die erste Mini-Serie habe ich vor langer Zeit gesehen und fand sie damals auch nur ganz nett, nichts wirklich erinnerungswürdiges. Entsprechend war meine Motivation für diese neue Adaption erstmal auch nicht sonderlich groß. Doch als die ersten US-Kritiker voll des Lobes waren, gab ich ihr eine Chance. Und, meine Güte, seit Game of Thrones habe ich nicht mehr eine solch brillante Mischung aus taktischem Intrigenspiel, gleichermaßen faszinierenden wie tragischen Figuren, schockierenden Wendungen und Brutalität gesehen. Noch dazu auf einem Ausstattungsniveau, das nichts zu Wünschen überlässt.
Außer einem Wunsch: den nach einer Fortsetzung. Und genau mit diesem Wunsch tue ich mich überraschend schwer. Tatsächlich hat der Autor des Romans selbst wohl grob an derselben Stelle den Schlussstrich gesetzt und verzichtet auch darauf, etwas zu zeigen, dessen Ausgang als unausweichlich beschrieben wird. Damit zeigt er das brillante strategische Hirn, das diesen Konflikt heraufbeschworen hat und seinen Gegnern immer so viele Züge im Go-Spiel voraus war. Es gibt am Ende eben kein Schlachtengemälde, weil der Punkt ist, es nicht zu beschreiben.
Dennoch: Der große Erfolg der Serie könnte eine weitere Staffel auch für FX sehr verlockend machen – selbst wenn sie auf einige ihrer zentralen Figuren dann, abseits von Rückblenden, verzichten müssten. Verlockend ist dieser Wunsch – aber ich denke auch, hier sollte man widerstehen und dieses Kunstwerk von Adaption für sich stehen lassen und lieber schauen, was die Serienmacher:innen als nächstes Projekt uns geben.
Disney+ | 10 Episoden
X-Men ’97
So langsam bekommt Marvel mit seinen Fernsehadaptionen wieder den Bogen raus.
In der Wiederbelebung der 90er-Jahre-Animationsserie steckt deutlich Liebe zum Detail, was schon die Überarbeitung der Titelsequenz beweist: Es ist immer noch die alte Titelmusik mit der ikonischen Vorstellung der Figuren, doch alles ist für eine höhere Auflösung und einem neuen Bildformat neu gezeichnet ohne dabei in die Falle zu gehen, es einfach komplett „neu“ oder „besser“ zu machen. Dieser Ansatz wird auch konsequent weiterverfolgt: Es wird das alte genommen, etwas abgestaubt, aber nicht auf Krampf modernisiert.
Während man sich über soviel Sorgfalt noch freut, wird dann narrativ aber mehr als nur etwas auf’s Gaspedal getreten. Die Story arbeitet sich in einer Handvoll Folgen durch Vorlagenmaterial der Comics mit nahezu Lichtgeschwindigkeit, man kann nicht so schnell gucken, so viele Fragmente werden hier eingebracht.
Und das ist dann vielleicht auch die größte Schwäche der Adaption: Die Serie nimmt sich kaum ausreichend Zeit für die Implikationen. Was in den Comicheften große Höhepunkte in jeweils großen Events sind, die mit unzähligen Nebenheften gerne so lange ausgewrungen werden, wie es gerade noch zahlende Leser:innen gibt, nehmen sie hier nur den Höhepunkt, atmen kurz ein, und dann kommt schon der nächste Höhepunkt. Diese Atemlosigkeit ist bisweilen einfach zu viel des Guten.
Dennoch beweist hier Marvel, dass die X-Men, die durch die 20th-Century-Fox-Übernahme lange ins Abseits geraten waren, noch viel interessantes Geschichtenmaterial bieten können. Bei diesem halsbrecherischen Tempo ist nur vielleicht die Frage, wie lange noch …
Disney+ | 10 Episoden
Player of Ibiza
Die Discounter-Macher basteln sich ihre neue Mockumentary, bei der sie versuchen, die Reality-Showwelt vorzuführen. Und nutzen dabei die bewährten Improvisationstechniken aus ihrer anderen Erfolgsserie: Keine vorgeschriebenen Dialoge, nur grobe Szenen-Ideen und viel Freiheit für spontane Ideen.
Was in der Theorie auch hierfür interessant klingt, entpuppt sich aber als überwiegend leider zahnloser Spaß, gerade im Vergleich mit ähnlichen gescripteten Serien wie UnREAL (2015–2018). Die Alpha-Männchen, die statt auf Ibiza aus Budgetgründen in Buchholz in der Nordheide landen, dürfen sich zwar leidenschaftlich anzicken, aber während im Discounter daraus oft eine spaßige Fremdscham-Milieu-Studie wird, weiß man hier oft nicht, was die überhöhten Figuren überhaupt wollen (außer lebende Klischees zu sein). Das ist oft ganz unterhaltsam, aber leider nicht mehr.
(Ich bin in Buchholz aufgewachsen, leider gibt es aber quasi nix von der Stadt zu sehen – okay, das ist vielleicht auch ganz gut so – man hätte auch da etwas mehr als einen Gag und einen Schwenk über das Ortsschild herausholen können.)
ARD Mediathek | 5 Episoden
(Beitragsfoto: Dead Boy Detectives. George Rexstrew als Edwin Payne (links) und Jayden Revri als Charles Rowland als ungleiches Geisterermittlerpaar in Episode 1. Credit: David Bukach/Netflix)
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