Oscar-Nacht 2025 Fazit

Und hier nun meine im Laufe der Live-Übertragung entstandenen Zusammenfassung. Alles sind Momentaufnahmen und ohne lange Überlegungen und Reflektionen:

Die Pre-Shows

Das waren die 97. Oscars, erstmals hierzulande sowohl auf ProSieben als auch bei Disney+ übertragen, wobei Disney+ die ABC-Pre-Show vom Red Carpet übertrug und dort die typischen „What are you wearing“-Fragen durchexzerzierte, während ProSieben Steven Gätjen hatte. Die großen Stars waren bei ABC, klar, aber die interessanteren Fragen hatte abermals Steven. Dafür hatte Disney+ (zumindest im Premium-Tarif) keine Werbeunterbrechungen. Joyn, der Streamingdienst von ProSieben, übertrug bereits über eine Stunde vor ProSieben und brachte auch dort keine Unterbrechungen, danach übernahm er aber einfach das Signal der großen Sendermutter, die dann auch einige der Highlights (u.a. Edward Norton, Volker Bertelmann, Sebastian Stan) einfach zuletzt wiederholte. Das ist erstmal nicht verkehrt, denn gerade in den letzten Minuten vor dem Start der Verleihung erwischt man halt niemanden mehr, zumal die ABC auch diesmal wirklich pünktlich anfangen wollte.

ABC (und damit Disney+) packte die Vorberichterstattung zu großen Teilen in Split-Screens, vermutlich um mehr Mode und „zufällige“ Schwenks über die goldene Uhr eines großen Schweizer Luxusuhrenherstellers unterzubringen. Ansonsten: Der rote Teppich ist zurück. Nach seltsamen Ausflügen in Champagner-Farben und ähnliches scheint diese Rückkehr zu traditionellen Werten fast schon entspannend (und rechtfertigt die Rückkehr des Begriffs Red Carpet Show). Steven Gätjen erschien sympathisch wie immer, war aber vielleicht etwas weniger gut informiert als sonst und wurde gar von der Info überrascht, dass Ben Stiller auch der Regisseur der Serie Severance ist. Und auch Timotheé Chalamet, der im Jahr zuvor noch sein Hemd vergessen zu haben schien, erschien diesmal lediglich in etwas komplett hellgelben etwas, während Ariana Grande in ihrem ausufernden Etwas von Rock vermutlich nicht ansatzweise sitzen können wird.

Die Eröffnung

Hollywood feiert sich selbst – und will Hoffnung geben, natürlich ist es The Wizard of Oz und der ikonische Song Somewhere over the Rainbow, interpretiert von Ariane Grande, die magisch in nur wenigen Minuten ihr Kleid gewechselt hat – und damit nun vermutlich auch mal sitzen kann. Ihre Filmpartnerin Cynthia Erivo löst dann sie kurz ab, bevor beide zusammen Defying Gravity weitersingen dürfen.

Ein wenig vermisst man noch die Anspielungen auf Filme, aber dafür ist die Bühnenmagie wieder groß, hat man das Orchestor offenbar auf einen Alkoven im Hintergrundbild der Szene gesetzt, es schwebt geradezu offen über den Akteuren, statt in einem Orchestergraben verborgen zu bleiben. Das wirkt, auch durch eine große Prokektionsfläche dahinter durchaus episch.

Die Moderation

Dann kommen aber die Anspielungen, Conan darf sich aus Demi Moores Körper rauswinden und dabei etwas zur eigentlichen Veranstaltung verspäten und wird dann als „Please welcome, four time Oscar viewer“ durch die Ansagerstimme (Nick Offerman) auf der Bühne präsentiert, bevor er sich bei Demi Moore „entschuldigt“. Der Monolog beginnt, aber man vermisst dann doch etwas den Biss, den O’Brian ansonsten in seinen Shows gezeigt hatte, in dem er sich zwar über den Preisanstieg bei Netflix, oder die Lauflänge von The Brutalist mockiert, aber dabei für ihn recht ungewohnt zahm bleibt und mit einigen der Gags einfach nicht beim Publikum landet, was er auch merkt. Erst als er etwas improvisiert, klappt es besser, bevor auch Conan den Namen von Denis Villeneuve nicht richtig betont bekommt.

Es folgen ein paar typische Shenenigans, und letztlich ein paar ernste Worte aufgrund der Waldbrände in Kalifornien. Dann erklärt Conan, er würde keine Zeit verschwenden um genau das zu machen: Er singt erstmal darüber ein Medley, keine Zeit zu verschwenden, bis endlich, gut 30 Minuten nach Start, die Verleihungen endlich starten dürfen.

Später darf er sich dann von Nick Offerman aus dem Konzept bringen lassen, der als Ansage-Stimme ihm wiederholt ins Wort fällt und damit die Argumentation, dass O’Brian hier seinen gewohnten Biss vermissen lässt, etwas die Luft aus den Segeln holen will.

Erst als dann ein vorproduzierter Fake-Werbespot für Kinos als Alternative zu kleinen Bildschirmen kommt, taucht wieder der Witz O’Brians wieder auf. Er selbst taucht ebenfalls kürzer im späteren Verlauf auf, was zumindest bedeutet, dass seine Pointen besser treffen, so dass man sich fragen muss, ob die Unsicherheit am Anfang vielleicht dann doch gespielt worden war.

Die Werbung

Während ProSieben sein Dilemma bereits letztes Jahr mit der einfachen, aber brillanten Idee der Pausenkommentatoren durch Gätjen und Co. löste, zeigt Disney+ in den Werbepausen einfach nur ein vor sich hin glitzerndes Oscar-Logo mit Werbemusik. Warum Disney+ nicht zumindest einen Countdown anzeigen mag, damit man grob einschätzen kann, wann man zurück von der Toilette sein sollte, ist dann doch etwas nervig.

Die Präsentator:innen

Die Laudatoren dürfen dieses Jahr abermals teilweise ihre persönlichen Verbindungen zu den Nominierten erklären, was abermals am Ziel vorbeigeht: Statt ihre konkreten Leistungen in den nominierten Filmen zu würdigen, gibt es nur ein paar Anekdoten. Immerhin kann man dann meist im Hintergrund ein paar der Konzeptzeichnungen sehen und das Szenenbild kann hier wieder auftrumpfen: Fünf Hochkant-Bildschirme illustrieren dies wunderbar, tatsächlich ist die Technik im Dolby Theatre großartig.

Dies gilt nicht für alle Kategorien und die Präsentator:innen holen das auch locker wieder raus. So darf Andrew Garfield mit seinem Idol Goldie Hawn auf die Bühne kommen und ihr seine Bewunderung ausdrücken. Das ist ein wirklich authentischer Moment und macht selbst Hawn einen Moment sprachlos. Während June Squibb großartig erzählen darf, dass sie tatsächlich gar nicht da ist, sondern von Bill Skarsgård gespielt wird.

Ben Stiller schafft ein paar große Lacher, als er das beste Szenenbild damit konterkariert, dass die Hebebühne scheitert als er die Kategorie einführen will. Der beste Song wird von Mick Jagger präsentiert und er darf sich beschweren, dass Bob Dylan dies abgelehnt hätte, indem sie jemand jüngeren suchen sollten (Jagger ist 81, Dylan 83). Diesmal werden die nominierten Songs tatsächlich mit Kommentaren und Produktionsausschnitten vorgestellt und sind nicht die Musiknummern des Abends, eine sehr gute Wahl der Präsentation.

Daryl Hannah darf dann den Schnitt ankündigen, kommt untermalt von ihrer Badass-Rolle in Kill Bill auf die Bühne, und nutzt erstmal ihren Auftritt dazu, sich mit der Ukraine zu solidarisieren indem sie „Slawa Ukrajini“ ruft. Politik findet dieses Jahr bei den Oscars in kleinen Gesten des Widerstands statt, siehe auch Zoë Saldaña weiter unten.

Die Preisträger:innen

Dass Flow gegen The Wild Robot gewinnt, ist nicht ganz so überraschend, immerhin war der Film sogar als bester Internationaler Film nominiert. Und auch wenn ich nicht auf ihn getippt habe, freut mich der Gewinn doch sehr, ein wunderschöner Film aus Lettland, von einem kleinen Team, der ganz ohne Worte auskommt. Der erste Oscar überhaupt, den Lettland gewinnt.

Die Gewinner des besten animierten Kurzfilms begeistern dann kurz danach durch ihre Fassungslosigkeit, die Tatsache, dass sie als Iraner:innen ihre Visas erst einen Tag vorher bekamen und nur vor drei Stunden zuvor in LA gelandet waren. Das berührt dann.

Weniger Überraschungen gibt es bei den Drehbuchautor:innen, bei denen die Favoriten gewinnen. Immerhin gibt es so sogar ein paar Worte Deutsch zu hören, als sich der britische Autor von Konklave, Peter Straughan, bei seinem Regisseur Edward Berger bedankt.

Zoë Saldaña gewinnt dann als beste Nebendarstellerin und bricht bei ihrer Dankesrede in Tränen aus, als sie als erstes ihre Mutter dankt, dann dem wunderbaren Haar ihres Gatten und schließlich ihre eigene Immigration heraushebt, das ging ans Herz und ist vielleicht die beste Message des Abends. Kurz später gewinnt dann auch noch der von ihr interpretierte Song, dessen Komponistin zumindest kurz etwas gegen Transfeindlichkeit in der Politik anbringen kann.

Zoe Saldaña wins Best Supporting Actress | Oscars 2025

Selena Gomez und Samuel L. Jackson, welche die Dokumentationen präsentieren dürfen, bleiben dabei aber leider einfach nur farblos, im Gegensatz zum Gewinner der besten Langfilm-Dokumentation, bei dem die Palestinenser ihre Hoffnung für ein Ende des Konfliktes einstehen, ein Appel, der klugerweise nicht vom Orchester abgewürgt wird.

Adrien Brodys Dankesrede begann auch mit einigem Potenzial, er bezog sich auf seinen Charakter als Einwanderer, aber driftete dann leider darin ab, den Preis (den er schon mal 2003 für Der Pianist gewann) einfach nur als „Gottesgeschenk“ anzusehen. Im Gegensatz zu der emotionalen Saldaña vorher ein deutlicher Kontrast, dessen Pathos irgendwie gespielt wirkte, bis er dann von der Musik abgewürgt wurde. Oder auch nicht, denn er redete immer weiter und brachte dabei durchaus wichtige Punkte wie Unterdrückung und Kriegstrauma ein, erstickte alles aber in leider recht unglaubwürdiges Gerede. Puh, eigentlich mochte ich Brody.

Immerhin durfte danach Sean Baker ein drittes Mal auf die Bühne, er gewann nach Drehbuch und Schnitt nun die Regie und hielt ein wirklich leidenschaftliches und großes Plädoyer für die Kinos. Zwar größtenteils abgelesen von einem Zettel, aber mit soviel mehr an Leidenschaft (und gerechtfertigten Applaus), dass es das ganze doch wett machte.

Und dann bleibt noch die Frage, ob die Abstimmung für den Kurzfilm-Gewinner „I’m Not a Robot“ durch Captchas geschützt war. (Sorry, es ist spät, der musste aus meinem System raus.)

Tributes und Musik

James Bond ist dieses Jahr das Franchise, das von der Academy ausführlich in einem Best-of-Zusammenschnitt gewürdigt werden soll. Die Überraschung ist danach aber nicht die Ankündigung, wer der nächste Bond-Darsteller oder die nächste -Darstellerin wird (das wären mal Schlagzeilen gewesen!), sondern eine etwas lieblose Variete-Nummer sowie Auftritten der Sängerin Lisa (von der Girlgroup Blackpink), die McCartneys Live and Let Die singen darf, Doja Cat, die Shirley Basseys Diamonds Are Forever interpretiert sowie Raye, die Skyfall von Adele singt, während sie sich im Mikrofonkabel verheddert. Soweit ganz okay-ish, aber irgendwie dann doch zu pompös und unbedeutend, auch wenn Ralph Fiennes als einziger Bond-Darsteller im Saal am Ende eingefangen wird, die Sänderinnen allesamt nix mit dem Franchise oder Oscars zu tun hatten und lediglich der dritte der drei Songs überhaupt einen gewonnen hatte.

Ganz ohne Brimborium, aber gerade deswegen eindrucksvoll: Einige Mitglieder:innen der Feuerwehren, welche die Waldbrand-Bekämpfung rund um Los Angeles bekämpften, dürfen auftreten und dürfen anstelle von Conan selbst einige Witze ablesen, die Conan zu heikel waren. Die Standing Ovations im Publikum für diese Helden sprechen aber Bände.

In der „In Memoriam“-Kategorie darf dann der jüngst verstorbene Gene Hackman nicht fehlen, diejenigen, die das zusammenschneiden und in letzter Minute noch Änderungen einbauen dürfen, sind da nicht zu beneiden. Sie lösten das, indem Morgan Freeman gleich am Anfang sich selbst von dieser Ikone verabschieden durfte und er dann auch den Abschluss bildete. Dame Maggie Smith durfte dann den Film der Abschiede starten, der diesmal anstatt bildschirmfüllend lediglich in einem dunkel eingerahmten Kreis projiziert wurde, während im Hintergrund ein Chor live das Requiem Lacrimosa von Mozart interpretierte. Sehr gelungen, gerade durch seine Sparsamkeit. Abermals ein großes Danke an das tolle Szenenbild.

Eine Reunion von Oprah Winfrey und Whoopie Goldberg (beide aus Die Farbe Lila) gab es dann auch noch. Sie durften dann eine Laudatio auf Quincy Jones geben, dem ersten schwarzen Komponisten, der für einen Oscar nominiert (und für mehrere weitere, auch für Die Farbe Lila nominiert) war. Queen Latifa durfte dann ein Medley für den im November verstorbenen zweifachen Ehrenoscar-Träger singen und damit etwas Groove in die Veranstaltung bringen.

Die Fantastik

Neben Wicked darf auch Dune: Part Two Preise in den Nebenkategorien mit nach Hause nehmen. Ich hätte zwar Alien: Romulus den Preis für die Visuellen Effekte gegönnt (die Szene mit dem Planetenring war wirklich etwas Neues), aber Dune: Part Two hat hier natürlich auch großartiges geleistet, auch wenn es nicht der erste Ritt auf einem Sandwurm war, den wir sahen – und es wurde ein deutscher Preisträger hier vom Orchester abgewürgt.

Und natürlich wurde Laudator Mark Hamill mit Star Wars auf die Bühne geholt, für so eine Ikone blieb aber kaum Zeit etwas großartiges zu sagen – nur ein kleiner Gag, dass er eigentlich erhofft hatte, mit dem Titelthema des Weißen Hais auf die Bühne kommen zu können. Sehr schade.

Fazit

Etwas arg zäh diese Veranstaltung (gute vier Stunden, die mir zeitweise noch länger vorkamen!) und dabei auch noch wenige Überraschungen – sowie die Feststellung, dass meine Tippgenauigkeit noch nie so schlecht wie diesmal war, nur knapp über die Hälfte richtig ist ein neuer Tiefpunkt meiner Tippkarriere:

Als Gewinner des Abends muss man sicherlich Anora benennen oder noch mehr Sean Baker, der in drei Kategorien gewann und jedesmal eine begeisterte Dankesrede hielt und für jede Nominierung eine eigenen Zettel vorbereitet hatte, und der in Gegenwart von Quentin Tarantino sich dennoch nicht zu schade war, sein kleines Fan-Girl herauszulassen. Was ein sympathischer Typ! Dass nach den vier Oscars dann auch noch der für den besten Film dazu kam, war keine Überraschung mehr – aber vorher hatten ihn doch wenige auf dem Radar. Und dann darf noch ein letztes Mal Baker ans Mikro und sich dafür bedanken, dass ein wirklich unabhängig produzierter Film hier gewinnen durfte.

Die politischen Stellungen, die sonst oft sehr offen sich gegen Misstände positioniert hatten, waren hier aber auf einzelne Helden reduziert, die Show selbst wie auch ihr Moderator blieben extrem zurückhaltend, wenn man von der Vorstellung der Los Angeles-Feuerwehr-Held:innen einmal absieht. Allgemein: Conan überzeugte mich nicht, obwohl ich sonst sehr gerne seine Shows geguckt habe und er schon legendäre Sketche rund um Filme, bspw. sein Auftritt in einer Szene von Mad Max Fury Road, gebracht hatte. Das kann er also besser.

★★★☆☆

Insgesamt hat mich die diesjährige Veranstaltung also etwas enttäuscht, vor allem durch den Rahmen. Es wäre weit mehr möglich gewesen, aber Hollywood verlernt es wohl gerade leider, Zeichen zu setzen.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
docron.de

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