Blogs contra Foren?

Gerade wird in der Rollenspiel-Blogosphäre das Thema diskutiert (siehe bei Markus, Karsten und Jürgen), ob Blogs derzeit die alten Rollenspiel-Foren kaputt machen. Wohl gesagt, damit sind die WWW-Foren gemeint und nicht das gute alte Usenet.

Kurz zusammengefasst: Markus hat diese These aufgestellt, Karsten entgegnet, dass Blogs Foren nur ergänzen, nicht aber verdrängen würden und Jürgen erwähnt zurecht auch noch eine weitere Zerfaserung durch die Sozialen Netzwerke.

Kanalüberfluss aber genug Nischen

Meine Meinung dazu: Wir haben zwar derzeit zu viele Kanäle, aber jeder sucht sich ohnehin seine Nische.

Aktuell etwa drei relevante soziale Netzwerke (Facebook, Twitter, Google+), ein Haufen Blogs – die durch Karstens RSP-Blogs.de zentral durchlauferhitzt und damit bequem zugänglich werden – und dazu noch etwa zwei übrig gebliebene größere allgemeine Rollenspiel-Foren. Plus unzählige kleine private Orga-Foren, -Wikis und -E-Mail-Listen, Gruppen auf Facebook, etc. Die einen bevorzugen dies, die anderen das, und irgendwie muss man meinen: es fehlt ein Tool für alles. Es fehlt die eierlegende Wollmichsau der Rollenspiel-Szene.

Die Internet-Rollenspieler-Typen

Bevor jetzt aber einer sagt: „Ja, genau. So etwas brauchen wir!“, wage ich zu fragen, warum es denn bisher so etwas nicht gibt. Ist ja nicht so, als würde es einige fähige Programmierer auch in unserer Szene geben. Die Antwort ist einfach: ein solches Tool könnte niemals allen Ansprüchen gerecht werden. Es gibt halt starke Diskrepanzen. Frei nach Robin D. Laws präsentiere ich eine schnell zusammen fantasierte Übersicht der „Internet-Rollenspieler“ (Liste sicher unvollständig):

  • Der Info-Broker. Er sitzt jeden Tag Stunden vor dem Rechner und klaubt sich seine Infos aus RSS-Feeds, Twitter, Facebook, Google+, Reddit und anderen Quellen zusammen. Einige haben sogar ein Missionsbedürfnis und stellen diese Infohappen auch über ihre Blogs und/oder sozialen Netzwerken anderen bereit.
  • Der Diskussionsjunkie. Das sind schreibbegeisterte Menschen, die gerne Ideen von allen möglichen Seiten beleuchten lassen möchten und den, manchmal auch wilden, Diskurs lieben. Diesen finden sie meist in Foren, manchmal in Kommentarspalten in Blogs, vor einigen Jahren noch in den Leserbriefkolumnen der gedruckten Fanzines.
  • Der Optimierer. Er ist stark verwandt mit dem Diskussionsjunkie, aber ihm geht es darum, seinen Charakter möglichst unter Einbeziehung unterschiedlicher, gerne auch obskurer, Regelwerke zu verbessern. Tipps sind ausdrücklich erwünscht und werden in allen Facetten durchdekliniert.
  • Der Systematiker. Sie wollen alle Bereiche genau aufbereitet wissen und halten in ihrem Blog, ihrer Homepage oder einem Wiki eine sorgfältig aufbereitete Rückschau wie einen kleinen Zen-Garten, den sie hegen und pflegen, teilweise sogar mit lexikalischem Anspruch. Hier haben sie einen Überblick, den sie in dieser Übersicht in Foren oder allgemeinen sozialen Netzwerken nie finden würden.
  • Der Storyfan. Vielleicht möchte er ja zwischen den einzelnen viel zu sehr auseinander liegenden Terminen noch weiterspielen. Oder er übt für ein eigenes Buch. Jedenfalls ist das Foren-Rollenspiel für ihn das einzig wahre, hier kann er sich richtig austoben. Aber auch in parallel angesiedelten Wikis gibt er seinen Charakteren noch mehr Facetten.
  • Der Casual-Planer. Er nimmt, wenn er ein paar mal getreten wurde, gerade noch an der Doodle-Planung des nächsten Spieltermins teil. Ansonsten ist das Thema Rollenspiel im Internet für sein Leben unwichtig.

Alle Ansprüche bekommt man nicht unter einen Hut

Spätestens beim „Casual-Planer“ stellt man fest, dass sich dessen Ansprüche mit denen der anderen Gruppen geradezu beißen müssen. Egal, wie gut man ein Tool programmiert, es kann nicht sowohl Vielschreiber und Wenigschreiber gleichermaßen befriedigen. Das führt uns ja Facebook schon vor, das immense Filterfunktionen aufbauen musste, damit man nicht ständig über den Kuhdung des Freundes nachdenken muss. Und auch wenn sie in unseren Kreisen vielleicht die geringe Minderheit darstellen – es gibt auch Rollenspieler da draußen, die gar nix mit dem Internet zu tun haben wollen.

Letztlich sucht sich jeder seine Nischen und gerade die Bereiche im Internet, die ihn für sein Hobby interessieren.

Der Podcast-Nachschlag

Und jetzt fällt mir noch auf, dass ich die Rollenspiel-Podcast-Szene noch gar nicht erwähnt habe. Diese treibt sich vor allem im I-Tunes-Verzeichnis und in eigenen Blogs herum, in Foren trifft man sie hingegen kaum. Ich glaube auch nicht, dass sie dort besonders besser aufgehoben wären. Und ich glaube auch nicht, dass Podcasts die Foren kaputt machen.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
docron.de

4 Antworten

  1. Foren machen das Usenet kaputt, Blogs machen Foren kaputt, soziale Netzwerke (seit wann ist Twitter ein soziales Netzwerk?) machen Blogs kaputt und Raider heißt jetzt Twix … laaangweilig

    1. (Twitter war schon immer ein Soziales Netzwerk im Sinne der Definition der so bezeichneten Internet-Tools.)

      Letztlich ist es sicher alter Wein in neuen Schläuchen. In manchen Bereichen haben diese neuen Schläuche aber halt auch definitive Vor- und Nachteile gegenüber den alten und sind halt nicht einfach nur eine Umetikettierung.

  2. Vor allem, möchte man so ein Alles-für-eins-Portal? So eine Monokultur? Rollenspiel lebt vón Vielfalt, die sich in unterschiedlichen Medien auch unterschiedlich ausdrückt.