Der unerwartete Oscar-Gewinner
Ich habe den Film „Moonlight“ im Kino gesehen, bevor er den Oscar als bester Film dieses Jahr gewann, und war damals bereits begeistert. Da war er noch nur einer von zehn nominierten Filmen und es galt allgemein als wahrscheinlich, dass das (sicher nicht schlechte) Musical „La La Land“ gewinnen würde. Bei der eigentlichen Verleihung passierte dann das, was durch alle Medien ging: Warren Beatty und Faye Dunaway bekamen den falschen Umschlag in die Hand gedrückt und erst wurde der falsche Sieger verkündet.
Dass „Moonlight“ dennoch gewonnen hat, spricht für eine Academy, die sich in der Vergangenheit sonst sehr oft in nostalgischem Hollywood-Glanz sonnen wollte und Filme wie „The Artist“ komplexeren Stoffen wie „The Tree of Life“ oder „Extremely Loud & Incredibly Close“ den Vorzug gaben. Dieses Jahr gewann dann nicht die bonbon-süße Hommage an Hollywood, sondern ein Film, der das einlöste, was uns „Boyhood“ versprochen hatte: Das Aufwachsen eines Jungen in einer schwierigen Umgebung und welche Menschen ihn dabei wie beeinflussen.
Das bessere „Boyhood“
Linklaters Film „Boyhood“ besticht damit, dass er die Lebensphasen eines Jungen über sein Erwachsenwerden begleitet, und das tatsächlich auch in Etappen mit der Kamera über Jahre hinweg inszeniert. Das ist zwar durchaus beeindruckend anzusehen, aber die eigentliche Story des Films ist dann doch etwas flach, die Charakter-Entwicklung des Hauptcharakters bleibt unwichtiger als seine körperliche.
„Moonlight“ hingegen greift auf drei Darsteller zurück um uns die Charakter-Entwicklung zu zeigen. Wobei jeder der drei Darsteller den Hauptcharakter auf seine Weise beeindruckend zurückhaltend spielt: Der junge Little (Alex Hibbert), der sich aufgrund der eigenen Familienverhältnisse nach einer Identifikationsfigur sehnt und sie in dem Drogendealer Juan (Mahershala Ali) findet. Der Teenager Chiron (Ashton Sanders), der in der Pubertät seine Sexualität genauso wie sein Temperament entdeckt und bei beiden lernen muss, sie zu kontrollieren. Und schließlich der Erwachsene Black (Trevante Rhodes), der wiederum lernen muss, dass all diese Kontrolle ihn auch hindert und er lernen muss, sich selbst zu lieben, um auch andere lieben zu können.
Extras, die berühren
Nun kommt der Beste Film des Jahres (was neben der Oscar-Jury auch die Golden Globes-Jury meinte) auf Blu-ray und DVD heraus. Und diese erweitert den Film um eine Vielzahl an Zusatzinformationen durch die Extras. Man erfährt zum Beispiel, wie die schillernde und schöne Stadt Miami eine wichtige Nebenrolle als Kontrastgeber zu der tristen Story spielt und die Produzenten auch vorrangig Menschen aus Miami gecastet haben. Wieso Little solange kein einziges Wort spricht und alles nur mit Mimik und Gestik ausdrücken muss (Antwort: Um einer einzelnen Zeile umso mehr Gewicht zu geben). Wie sie in dem (wunderschönen) Score Einflüsse aus Hip Hop und Klassik vermengt haben und die Musik sich auch entlang der Charaktere entwickeln darf und vom leichten Piano zu, tiefen, breitschultrigen Cello sich wandelt. Dazu Eindrücke und Interviews von der Berlin-Premiere (die nach dem Golden Globe-Gewinn, aber noch vor dem Oscar stattfand) und einen Audio-Kommentar des Regisseurs, bei dem man erfährt, wie viel in dem Film dann doch geplant war und wie viel einfach so zusammenkam.
Dass ich bei einem Feature über das Casting etwas ins Auge bekomme, ist schon bemerkenswert. Diese Emotionen, die da wieder geweckt werden, hatte der Film immerhin bereits vor fünf Monaten in mir gesät. Ich muss zugeben: Ich schaue selten Filme mehrmals und wenn, dann meist mit einem Abstand von mehreren Jahren. Aber dieser Film hat mich nicht losgelassen.
Nun fand meine zweite Sichtung im Heimkino statt, und meine Güte – der Film ist immer noch so intensiv, wie damals im Abaton-Kino. Und auch wenn ich auch „La La Land“ in meinem Regal stehen habe – „Moonlight“ ist der Film, dem ich erstmal und für einige Zeit einen Sonderplatz eingeräumt habe.
[wertung img="https://edieh.de/wp-content/2017/08/2d_packshot_moonlight_bd.jpg" stars="5"]„Moonlight“ (USA 2016)
Regie: Berry Jankins
Drehbuch: Barry Jenkins, basierend auf der Story von Tarell Alvin McCraney
Darsteller: Alex Hibbert, Ashton Sanders, Trevante Rhodes, Naomie Harris, Mahershala Ali
Extras: Making of (Produktion, Cast, Musik), Premiere in Berlin (Eindrücke, Bühnengespräch, Interview), Audiokommentar von Regisseur Barry Jenkins, Trailer
derbestefilmdesjahres.de[/wertung]
„Moonlight“ erscheint am 21.08.2017 digital und am 25.08.2017 bei DCM auf DVD und Blu-ray. Offenlegung: Ich habe die Blu-ray freundlicherweise als Rezensionsexemplar erhalten.