Cyber-Chirurg Dr. Ido (Christoph Waltz) findet auf dem sich ständig weiter auftürmenden Schrotthaufen unter der Himmelsstadt „Zalem“ den Kopf eines Teenagerin-Cyborgs (Rosa Salazar). Er nimmt sie mit zu sich in seine Praxis und gibt ihr einen neuen Körper und Namen. Zunächst entdeckt Alita mit kindlicher Neugierde die Welt um sich und findet bald schon Gefallen an dem gleichaltrigen Hugo (Keean Johnson), ein Straßenjunge, der hofft, irgendwann einmal nach Zalem reisen zu können. Doch das Leben in diesem Moloch unter der Himmelsstadt ist nicht einfach, Kopfgeldjäger ziehen umher und Menschen werden ihre künstlichen Gliedmaße direkt auf der Strasse gestohlen. Da passt es ganz gut, als Alita entdeckt, dass eine Kämpferin in ihr schlummert …
Expositionsfalle umgangen
Eines der großen Probleme, dass jeder fantastischer Stoff, der nicht auf einem Franchise basiert, hat, ist das Worldbuilding. Drehbuchautoren nutzen hier meist die Option, dies mit einem kurzen Einblenden von ein bis x Texttafeln am Anfang zu erledigen. Dies ist billig gemacht und wenn der Rest des Films gut läuft ist die Verletzung des eisernen Autorengesetzes „Show, don’t tell“ hoffentlich schnell wieder verziehen. Wenn man etwas mehr investiert, kommt es zu Mischformen mit Erzählerstimme aus dem Off und einigen Filmszenen zur Illustration, Peter Jacksons Herr der Ringe-Trilogie kam über diesen Kniff problemlos hinweg, weil der Rest einfach so gelungen war.
Buch-Autoren sind da meist kreativer und mutiger. Sie können diese langweilige Exposition dadurch umgehen, indem sie durch innere Monologe die Protagonisten erklären lassen können. Oder sie lassen ihre Leser über viele Details einfach irritiert zurück und verlassen sich darauf, dass sie sich das irgendwann selbst zusammenreimen können.
Filmemacher haben es nicht so einfach. Innere Monologe scheiden außerhalb des Noir-Genres meist aus. Und ein einfaches Zeigen ohne Erklärung wird schnell „zwangskorrigiert“ durch das Studio. Gerade Blockbuster müssen durch unzählige Testscreenings beweisen, dass sie auch ja alle Zuschauer abholen. Da ist dann die hübsche Texttafel am Anfang ein billiger Problemlöser.
Grandioses Worldbuilding
„Alita: Battle Angel“ schafft es hingegen, auf so etwas komplett zu verzichten. Hier wird zuallererst gezeigt. Notwendige Erklärungen, die nicht einfach illustriert werden können, werden durch die Amnesie der Protagonistin als Steilvorlage durch die Nebencharaktere ihr – und damit auch uns – erklärt. Sicher, das ist kein neuer Ansatz, aber er ist einfach, elegant und vor allen funktioniert er.
Der große Vorteil an diesem Ansatz ist, dass sich der Zuschauer selbst wundern und an vielen Stellen rätseln darf. Bereits in der ersten Szene, als Dr. Dyson Ido (Christoph Waltz) auf dem Schrottplatz herumläuft und nach vermeintlich wertvollen Ausschau hält, können wir einen ersten Blick auf die fantastische Welt erhaschen, die über jener tristen schwebt. Später erfahren wir weitere Details. Und eben dieses Puzzlen bringt dem Zuschauer weit mehr Spaß, als am Anfang Texttafeln zu lesen.
Zum Schluss zu wenig Zeit
Während man als Zuschauer im ersten Akt sich also an dem Worldbuilding sehr erfreuen mag, entfaltet sich eine recht herkömmliche Teenager-Liebes-Romantik im Vordergrund, mit allen bekannten Beats. Das eigentliche Rätsel um Alita gerät erst im zweiten und dritten Akt wieder in den Fokus der Handlung und gerät dann leider auch ins Stolpern. Besonders im Finale verheddert sich der Film in seinen Actionsszenen und entscheidet sich statt für eine Auflösung und einen Abschluss stattdessen für einen halbherzigen Cliffhanger. Hier wünscht man sich einen Director’s Cut, der etwas mehr Zeit im späteren Teil sich lässt.
Dabei muss man durchaus lobend erwähnen, dass sich auch in den Actionszenen der Filmemacher nicht zu zuviel Hektik hinreißen lässt. Diese sind zwar schnell und rasant, aber nicht im Schnitt, wodurch man auch zwischen all den unterschiedlichen Cyborgs im Rennen noch die Übersicht behalten vermag.
Weniger Wumms, mehr Details
Auch an anderen Stellen macht der Film vieles sehr richtig. Gerade bei den Spezialeffekten muss man loben: Sie sind nahtlos mit dem restlichen Film verbunden und gerade die Cyborgs sind allesamt nicht von den nicht-digital-nachbearbeiteten Darstellern unterscheidbar. Und gerade hier hat sich das Design-Team voll ausgetobt: all die kleinen Mechanismen und Details sind wirklich liebevoll und glaubhaft gestaltet.
Auch Alitas übergroße Augen stören nicht, im Gegenteil: Alitas Gedankenwelt ist in diesen fast direkt ablesbar, was sicherlich auch an der von Rosa Salazar inszenierten Darstellung liegt. Diese XXL-Augen fehlen bei den anderen Darstellern – dort fehlt allerdings auch etwas Fleisch am Knochen: Christoph Waltz kann seinen väterlichen Dr. Ido noch etwas Substanz geben, aber gerade die Bösewichte bleiben etwas zu eindimensional und in ihrer Motivation etwas zu unscharf („Ich will lieber hier unten in der Hölle ein Gott sein, als im Himmel ein Bettler!“), trotz Starpower von Mahershala Ali.
Fazit
Wer seine Freude vor allem aus Worldbuilding und imposanten Effekten (Teile des Filmes wurden im IMAX-Format gedreht und wirken auf der großen Leinwand wirklich eindrucksvoll) zieht, wird „Alita: Battle Angel“ einiges abgewinnen können. Mit nur etwas weniger Fokus auf Teenie-Liebe und damit mehr Zeit für einen weniger holprigen letzten Akt hätte der Film auch restlos überzeugen können.