Crime Game (Film-Kritik)

Er soll unbezwingbar sein: Der Tresorraum unter der Bank von Spanien. Und in diesem liegt ein jüngst aus dem Meer geborgener Schatz, dessen Signifikanz Spanien noch nicht bewusst ist. Weswegen nun eine Crew von Meisterdieben sich aufmacht, diesen gegen alle Widrigkeiten zu stehlen. Immerhin kommt ihnen ein Volksfest zur Hilfe: Spanien tritt in der Fußball-Weltmeisterschaft an und vor der Bank findet ein großes Public Viewing Event statt.

CRIME GAME | Trailer (Deutsch / German) | 2021 | Thriller | Action

Klischekiste der Heist-Filme

Das Genre der Heist-Filme (ich bin mit der deutschen Übersetzung Gaunerkomödie hier nicht so ganz zufrieden, finde aber auch keine bessere) ist meist zwar äußerst unterhaltsam, greift aber leider zu gerne in Klischeekisten zurück und bedient sich dabei einer recht abgegriffenen Gruppe von Story Beats.

Crime Game (auch bekannt als The Vault and davor als Way Down) ist dabei leider keine Ausnahme. Natürlich gibt es im letzten Akt noch überraschende Wendungen, die erst nach ein paar Verrenkungen dem Zuschauer erklärt werden. Natürlich gibt es die klassischen Positionen im Team, natürlich kommen zwischenzeitlich die Sicherheitsleute der Bank der Crew auf die Spur, und natürlich machen sie das, ohne dass es irgendeine bleibende Auswirkung auf diese zeigt.

Das ist einerseits schade, aber der Regisseur Jaume Balagueró (Rec) guckt sich längst nicht nur dies ab, sondern kupfert auch stark bei anderen Filmen des Genres ab – und das effizient und gut. So hat er wohl mindestens einige Christopher Nolan-Filme gesehen und sich an diesen orientiert – bis hin zu einem Hans-Zimmer-inspirierten Score (der hier aber von dem Spanier Arnau Bataller stammt), bei dem gerne nervöse Streicher die Spannung streichweise steigern. Das alles funktioniert tatsächlich, der Film wirkt so spannender, als er es letztlich ist. Das ist solides oder besser gesagt: gutes Handwerk.

Selbst das Set-Decor greift einfach nur vermeintlich typische Elemente auf, die dort rein passen (Foto: SquareOne Entertainment)

Leider bedient er sich dann aber auch noch bei mindestens einer von Nolans Schwächen. Àstrid Bergès-Frisbeys Lorraine ist eine der wenigen (in Zahlen: 2) Frauenfiguren im Film, sie wird aber auch noch als Nebenfigur eingesetzt, die vorrangig als Love-Interest von Freddie Highmores Thom dienen darf. Auch Nolan machte denselben Fehler mit Elliot Page in Inception, der die einzige Frau in der Crew spielte und vielfach unterbeschäftigt blieb.

Und auch wenn man gegenüber Logik- und Physikfehler in solchen Filmen oft mehr zu Vergeben bereit ist als in Superheldenfilmen – was bitte haben sie mit den Computerinterfaces angestellt? Hat Hollywood in den letzten Jahren tatsächlich allmählich Fortschritte gemacht damit, realistischere Kommandozeilen-Prompts zu zeigen, sind es hier wieder nebulöse Zahlenkolonnen, die senkrecht wie in Matrix durchs Bild laufen. Und Geo-Koordinaten werden, einmal im Rechner eingeben, theatralisch langsam verfeinert um erst Kontinent, dann Land, dann Stadt, dann den Ort zu zeigen.

Nur ein Ablenkungsmanöver: Das Public-Viewing Event (Foto: SquareOne Entertainment)

Detailliert durchstrukturiert, aber ohne Seele

So sehr wie der Heist letztlich minutiös geplant ist, ist es auch dieser Film. Er arbeitet routiniert das Drehbuch ab und erlaubt sich dabei keine Langeweile, schafft es aber leider auch nicht, für die Charaktere zu begeistern. Freddie Highmore, der in seinen Serien (Bates Motel, The Good Doctor) ein deutlich größeres Spektrum an Außenseitercharakteren zeigen kann, wusste hier leider selbst oft nicht, wie er den Charakter Thom, der einerseits als Wunderkind positioniert wird, andererseits aber auch klar als Identifikationsfigur für das Publikum dienen soll, spielen soll: neugierig naiv oder fokussiert intelligent? Irgendwo dazwischen verklemmt entscheidet er sich zu oft für etwas, das einer Schockstarre gleicht. Liam Cunningham (Game of Thrones) hat es da deutlich einfacher als Mastermind der Operation, hat aber die Herausforderung, seine Szenen meist mit Axel Stein zu teilen, der zwar wohl als Comic-Relief-Hacker dienen soll, aber dessen Unterhaltungswert meist auf gelegentliches deuschsprachiges Fluchen reduziert wird.

Zwar stimmt das Produktionsniveau des Filmes, aber er orientiert sich zu sehr an einem soliden Drehbuch von der Stange, ohne aus seinen Charakteren, Darstellern und vor allen ohne aus der Rahmenidee mit dem Public-Viewings zur Fußball-WM von 2010 wirklich mehr als eine kleine Wendung herauszuholen, die ohne Probleme auch dem Schneidetisch zum Opfer hätten fallen können.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
docron.de

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