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Oscar-Nacht 2024 Fazit

Oscars so früh

Erste Überraschung des Abends: Mein Schlaf wird dieses Jahr vermutlich doch besser ausfallen, denn sie beginnen eine Stunde früher als sonst. Zusätzlich hilft uns die Sommerzeitumstellung, oder besser, dass diese bei uns noch nicht passierte. Zwei Stunden mehr Schlaf als erwartet, yeah, wo darf ich meine Dankesrede dafür halten?

Jimmy Kimmels launige Eröffnung ist aber leider abermals recht vergessenswürdig, nicht schlecht, aber allenfalls routiniert. Immerhin spricht er auch Sandra Hüller an, die er ein paar Wochen zuvor bereits in seiner Show begrüßen durfte, bei der sie ihm auf die Füße trat, als er sie nach ihrer ersten Oscar-Nominierung fragte und sie herausfinden mussten, dass sie sich nicht mehr an den Moderator damals erinnerte – es war Kimmel. So wurde dann aber auch die Bildregie auf Hüller aufmerksam, die entsprechend immer wieder mal ins Bild geholt wurde, als ihre Filme auftauchten.

Fünf Laudator:innen statt Ausschnitte

Auf dem ersten Blick eine schöne Idee: Statt nur den Vorjahresgewinner:innen präsentieren dieses Jahr gleich fünf Gewinner:innen die Nominierten in den Darsteller:innen-Kategorien. So kann jede:r eine kleine, persönliche Laudatio auf jede:n der Nominiert:innen halten. Problem an der Sache: Das zieht sich nicht nur gefühlt extrem – man bekommt auch noch nicht einmal mehr einen Ausschnitt aus dem jeweiligen Film gezeigt, sondern jede:r Darsteller:in geht ausführlich auf das geleistete ein. Das machen die SAG-AFTRA-Awards deutlich flotter bei deutlich mehr Darsteller:innen.

ProSieben probiert Neues

Die beste Idee aber stammt von ProSieben selbst: Steven Gätjen darf zusammen mit seinem Co-Host Paul Luca Fischer die bei uns nicht buchbaren Werbeinseln füllen – was deutlich besser ist, als die sich ständig wiederholenden Programmtrailer und Filmausschnitte, die ProSieben sonst zum Erbrechen durchdudelte. Dadurch fühlen sich all die Pausen deutlich angenehmer an und machen nicht ansatzweise so müde wie sonst.

Leider hatte Gätjen vor der Verleihung deutlich größere Probleme, die wirklichen Stars zusammenzubekommen, was aber nicht an ihm lag, sondern offenbar leider ein allgemeiner Trend ist den roten Teppich zu vermeiden, warum auch immer. Allgemein ist es aber immer noch zu bewundern, wie professionell, routiniert, aber auch interessant er die Pausen mit seinen Improvisationen zu füllen vermag.

Großer Kritikpunkt aber: Seit Jahren haben wir uns ja schon daran gewöhnt, dass im Live-Bild des Senders nicht nur das Logo, ein HD-Zeichen und „LIVE“ eingeblendet wird, sondern auch noch eine animierte Oscar-Statuette unter dem gold-gefärbten Logo sich drehen muss. Diesmal gibt es auch noch in der anderen Ecke ein „OSCAR®“-Wortlogo, dem noch ein in Versalien geschriebenes „Academy Awards“ untergesetzt wurde. Noch dazu verhindert dieses Unfug-Logo das Lesen der Bauchbinden, die wirklich interessanten Infos liefern könnten – und später überdecken sie sogar einen QR-Code, der so unscannbar wurde. Wozu soviel Logo-Kleister? Teilweise hat man das Gefühl, dass die 90er zurück sind und ihre animierten Internet-Baustellen-GIFs zurückhaben wollen.

Überraschungen

Das erste beste Comedy-Bit entstand als Kimmel den nackten John Cena auf die Bühne holte – anlässlich der Tatsache, dass vor 50 Jahren bei der Veranstaltung ein nackter Flitzer bei David Niven über die Bühne lief, und er dann, splitternackt aber extrem durchtrainiert, den Kostüm-Oscar ankündigen durfte. Nach den Einspielfilmen hatte er dann schnell eine Toga überworfen bekommen und sah erstaunlicherweise nun ein wenig wie die Columbia-Studio-Ikone aus, es fehlt nur noch eine Fackel, um die 100 Jahre des Studios dieses Jahres zu zelebrieren.

Ohnehin waren Muskelmänner dieses Jahr überraschend oft auf der Bühne. Kurz nach Cena trat Dwayne Johnson als Presenter auf die Bühne (bekleidet) und später durften dann Arnold Schwarzenegger zusammen mit seinem Co-Star Danny DeVito sich mit Michael Keaton anlegen.

Auch wenn es absehbar war, ist dann doch der Gewinn Robert Downey Jr. für seine Nebenrolle in Oppenheimer eine positive Überraschung, zumal seine Rede eine unerwartete Parallele zwischen seiner Ehefrau und einer Veterinärin herstellen mochte und seinem Manager dankte, der ihn aus dem Knast geholt hatte. Ja, er ist immer noch Tony Stark, wie Paul Luca Fischer später süffisant feststellte.

Eine riesige Kaiju-Überraschung: Godzilla Minus One gewann für die besten Spezialeffekte. Als Außenseiter in das Rennen gestartet und mit vergleichsweise kleinem Budget haben die Japaner:innen extrem viel daraus gemacht und konnten tatsächlich ihre Peers bei der Verleihung überzeugen. Die überwältigten Gewinner:innen lieferten dann auch eine emotionale und radebrechende Rede ab, die gleichermaßen unverständlich wie auch unheimlich sympathisch war.

Dass Emma Stone dann als beste Darstellerin gegen Lily Gladstone gewann, ist eine Überraschung – wenn auch eine positive, zumal sie in ihrer Dankesrede enorm sympathisch war und diesen Sieg auch offenbar nicht ansatzweise erwartet hatte.

Deutschsprachiges

Zwar gewann England den Oscar für den besten Internationalen Film für The Zone of Interest, dennoch ist es ein größtenteils deutschsprachiger Film (englischsprachige hätten hier auch gar nicht nominiert werden können). Und Sandra Hüller, auch hier natülrich kurz im Bild, war von Glazers Rede sichtlich gerührt und vergoss einige Tränen.

Österreicher Christoph Waltz darf Ryan Gosling lobhudeln (und schafft es dabei deutlich schneller auf den Punkt zu kommen, als die meisten seiner Laudator:innen-Peers, die teilweise extrem ausholen und extreme Patina auftragen).

Sandra Hüller kam dann die Ehre zu, von der Gewinnerin des letztjährigen Oscars, Michelle Yeoh, selbst gelobhudelt zu werden (dass auch Yeoh den deutschen Namen nicht aussprechen vermag, erwähnen wir nicht, Yeoh ist schließlich eine beeindruckende Kampfsportlerin). Gewonnen stattdessen dann aber Emma Stone, Sandra Hüllers Karriere hat aber dann sicherlich enormes Momentum gewonnen.

Music

Billie Eilish durfte ihren Barbie-Song What Was I Made For? darbieten – und berühte auf ihre unverkennbare Art bereits das Publikum. Danach konnte John Baptiste diese Emotionalität leider nicht so wiederholen. Richtig gut wurde dann aber der Auftritt von Ryan Gosling mit I’m just Ken, indem er nicht nur mitten im Publikum hinter Margot Robbie startete um dann tatsächlich live zu singen und mit einigen weiteren Ken-Darstellern (u.a. Ncuti Gatwa und Simu Liu) eine bunte Revue zu präsentieren, die dann mit einem kurzen Auftritt von Guns-’n-Roses-Gitarrist Slash gipfelte, während im Hintergrund der Karaoke-Text für alle zum Mitsingen lief. Was für ein Auftritt!

Ihm wurde dann auch deutlich mehr Zeit eingeräumt als anderen Performern. Vielleicht etwas unfair – aber sehr unterhaltsam. (Und dass ProSieben dann danach auch noch die Werbeinsel mit „Männer verdienen mehr als Frauen“ eröffnete war tatsächlich eine äußert geschickte Platzierung!)

Ludwig Göransson gewinnt erneut einen Oscar, diesmal mit dem für mich deutlich einprägsameren Score (Oppenheimer ist immernoch in meinem Ohr, sein vorheriger Oscar für Black Panther tatsächlich nicht mehr). Dass dann Billie Eilish und ihr Bruder Finneas O’Connell auch erneut gewinnen (der erste ging an No Time to Die) liefert dann eine der emotionalsten Reden, als sie tatsächlich Greta dankt und kurz vorher in ein hysterisches Lachen ausbrechen muss.

Meine Tipps

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Ich bin wie in den meisten Jahren noch zufrieden mit meiner Ausbeute bei meinen Tipps, auch wenn ich ein wenig nachgelassen habe. Vor allem habe ich die handwerkliche Arbeit, die Poor Things auszeichnete, etwas unterschätzt – oder genauer den Hype, den sie noch mobilisieren konnten und für Haar und Make-up, respektive Szenenbild und vor allen für Emma Stone selbst noch erzeugen konnten.

Kontroversen und Politisches

Anlässlich der Nominierung von Killers of the Flower Moon durften nach der Vorstellung des Filmes einige Osage-First Nations tatsächlich auf der Bühne live auftreten und einen traditionellen Song aufführen, was zu Standing Ovations f+hrte.

Ein Filmeinspieler würdigte die Arbeit der Stunt-Performer:innen und warf durchaus die Frage auf, warum diese Branche eigentlich immer noch keine Oscar-Kategorie hat.

Die Drehbuchkategorien drehten dieses Jahr noch deutlicher am Rad als auch sonst. Was ist heute noch als adaptiert und was als originell gilt ist sicherlich eine relevante Frage. Barbie als adaptiert zu bezeichnen, weil es ja die Puppe vorher gab, ist irrwitzig. Eine Konsolodierung dieser beiden Preise analog des Sound-Preises ist sicherlich mehr als ausstehend. Und dann gewann auch noch American Fiction für das beste adaptierte Drehbuch.

Den Sieg von 20 Tage in Mariupol hatte nicht nur ich ja bereits vorhergesagt, und als der Filmmacher dann erklärte, dass dies der erste Oscar für die Ukraine war, und er weiter erklärte, dass er wünschte, er hätte diesen Film nie machen können, dass all dieser Kriegsschrecken nie nötig gewesen wäre – aber die Geschichte sich nicht ändern ließe, aber von ihr richtig berichtet und dies nie vergessen wird. Denn Kino formt Erinnerungen. Die folgenden Standing-Ovations waren erwartbar – umso unverständlicher, dass die Regie danach gleich auf die Ankündigung von einem Show-Bit setzen musste und wir mit Werbung für eine ProSieben-Show aus der Emotionalität herausgerissen worden.

Erstaunlich: Wes Andersons erster Oscargewinn (für seinen Netflix-Kurzfilm Ich sehe was, was du nicht siehst) wurde von ihm nicht selbst entgegengenommen, trotz der Tatsache, dass er einer der Favoriten hier war.

Und schließlich teilte Kimmel dann auch noch zum Schluss ein paar nette Spitzen gegen Trump aus („Surprised, you are still watching. Isn’t it past your jail time?“).

In Memoriam

Stark: Das Segment wird mit einem Ausschnitt aus dem Oscar-Dokumentargewinner Nawalny eröffnet, der in dieser Doku selbst über seinen kürzlich tatsächlich in russischer politischer Gefangenschaft passierten damals noch hypothetischen Tod reflektierte.

Die eigentlichen Abschiede werden dann untermalt von einem Duett von Time to Say Goodbye von Andrea Bocelli und seinem Sohn. Die Personen werden diesmal auf unterschiedliche Projektionsflächen gezeigt werden. Sehr stimmungsvoll und angemessen.

Ein Ende mit Oppenheimer

Oppenheimer war Favorit und ehrlicherweise waren Christopher Nolans Filme auch lange überfällig. Hoyte van Hoytemas Sieg als beste Kamera war bereits ein verdienter Gewinn, nachdem er sich 2018 (Dunkirk) noch Roger Deakins (für Blade Runner 2049) geschlagen geben musste. Cillian Murphys Gewinn war ebenso erwartet wie der von Christopher Nolan selbst. Und dass der beste Film dann auch noch an Oppenheimer gehen würde, war an der Stelle spätestens klar. Und auch verdient, vereint der Film doch Nolans Stil des zeitlich unstrukturierten Erzählens gekonnt mit einer guten Geschichte. Eigentlich hätten sie aber auch Barbie danken müssen, ist der Erfolg des Films doch durch das geniale gemeinsame Marketing der Filme („Barbenheimer“) massiv gefördert worden.

Und nun fühle ich mich auch zeitlich völlig verwirrt, dank des wohl frühesten Schluss’ einer Oscar-Verleihung selbst. Dachte ich noch, dass ich dieses Jahr vielleicht die ganze Verleihung nicht schaffen würde, bin ich noch recht wach, da ich mental auf ein Ende gegen 6:00 Uhr eingestellt war. Aber ich versuche es mal: „Gute Nacht, ihr Prinzen von Maine, ihr Könige von Neu England!“

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Ron Müller

Rollenspieler auf Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen. Blog: Edieh, Podcast: Ausgespielt.

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