House of Skates – „I, Tonya“ Blu-ray-Kritik

Eigentlich will sie nur geliebt werden, doch bekommt kaum Chancen dazu, selbst nach einem Dreifach-Axel: Margot Robbie als Tonya Harding (Foto: DCM)

Als 1992 die Olympischen Winterspiele stattfanden kam es zum ersten Duell zwischen Juroren-Darling Nancy Kerrigan und dem Underdog Tonya Harding (Margot Robbie), die ihr bis dahin demonstriertes Talent dort nicht mehr unter Beweis stellen konnte. Doch durch eine Verschiebung der Winterspiele aus dem Jahr der Sommerspiele sollte es bereits zwei Jahre später wieder zu einem solchen Ereignis kommen – doch der psychologische Krieg zwischen den beiden Konkurrentinnen führte letztlich zu einem Angriff auf Kerrigan, bei dem deren Kniescheibe zertrümmert wurde. Pikanterweise war der Attentäter durch den Ehemann von Harding, Jeff Gillooly (Sebastian Stan) bezahlt. Ein Skandal, der landesweite Aufmerksamkeit bekommen sollte.

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„I, Tonya“ inszeniert die Ereignisse als Biopic, vermengt mit Elementen einer Pseudo-Dokumentation bei der immer wieder mit der vierten Wand durch unterschiedliche Charaktere gebrochen wird. Nicht nur Harding spricht zu dem Publikum, sondern auch ihre Trainerin oder andere Charaktere – und erklären so ihre Gefühle dem Zuschauer, etwas, das prominent in den letzten Jahren vor allen President Underwood in House of Cards machen durfte und so erlaubte an den finsteren Gedanken teilzuhaben. Dazu werden immer Ausschnitte aus einer fiktiven Fernsehdokumentation der Zukunft eingestreut, bei dem ältere Versionen der Charaktere ihre damaligen Handlungen kommentieren, teilweise auch nahelegen, dass diese nicht der im Film behaupteten Wahrheit entsprechen.

Nominiert war der Film für immerhin 3 Golden Globes und 2 Oscars, von denen jeweils eine Trophäe Allison Janney als Hardings Mutter LaVona als beste Nebendarstellerin abräumen konnte. Eine Entscheidung, die ich schon damals in meinem Tipp auf Laurie Metcalf nicht teilen wollte und auch nach Sichtung des Films immer noch nicht teile: Ja, die Leistung ist nicht schlecht und hilft, die komplexe Figur von Harding etwas besser zu verstehen, kanalisiert aber letztlich nur Frustration in Gewalt unter einem Haufen starren Make-ups.

Wird von den Medien belagert, aber das ist auch fast alles, was die Medien in dem Film tun. Allison Janney als Hardings gestrenge Mutter LaVona. (Foto: DCM)

Bemerkenswerter ist da dann doch die Leistung Robbies als Tonya Harding, die es nicht nur schafft, einen sehr athletischen Charakter beeindruckend aufs Eis zu bringen sondern auch eine von so vielen Menschen nur missbrauchte Frau als Kämpferin dazustellen, die immer wieder in alte Fallen tritt. Und auch Sebastian Stan zeigt in der schwierigen Rolle als missbrauchender Ehemann, dessen Temperament immer wieder mit ihm durchgeht und er dennoch seine Frau irgendwo liebt nicht nur ein beängstigendes Arschloch hinter seinem Schnurrbart, sondern trägt auch einen großen Teil des Films mit.

Auch mit all diesem gezeigten Missbrauch gelingt es aber dem Regisseur nicht wirklich, eine eindeutige Botschaft zu übermitteln, wie er Hardings Verantwortlichkeit in diesem Schmierentheaterstück bewertet. Diese Entscheidung ist aber durchaus zu begrüßen: Keine einfachen Antworten für den Zuschauer, keine einfache Opferrolle. Das Urteil, das Harding am Ende erwartet ist hart, trotz einer eher mauen Beweislage – sie wurde letztlich nur wegen der Behinderung von Ermittlungsarbeiten verurteilt. Diese Ambivalenz, mit der man zurückgelassen wird, ist von den Filmemachern gewollt und sinnvoll.

Margot Robbie kann als Tonya Harding weit mehr zeigen als in ihren bisherigen Rollen (Foto: DCM)

Leider versagen sie aber bei der Darstellung eines weiteren wichtigen Protagonisten in dieser Geschichte: Der Rolle der Medien. Zwar darf Bobby Carnavale als fiktiver Boulevard-Reporter Martin Maddox zeitweise auftreten, aber hier bleibt der sonst so charismatische Darsteller eher blass und darf nur zeitweise ein paar metakritische Aspekte einwerfen. Sicher, diesen Part herauszuarbeiten ist nicht einfach und es ist zu begrüßen, dass er überhaupt erwähnt wird in einem durchaus komplexen Film, aber die Rolle bleibt zu vage, immerhin war dies der erste große Skandal einer 24-Stunden-Nachrichtenkanal-Landschaft in den USA damals.

„I, Tonya“ ist dennoch ein faszinierendes Biopic über eine durch die Medien aufgeblasene Feindschaft und späteren Skandal mit einer großartigen Margot Robbie und einer Plethora aus 80er und 90er Nostalgie, die in einem Soundtrack gipfelt, der für einen Guardian of the Galaxy-Film hätte ausreichen können.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
docron.de

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