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Krähen – Sagentiere mit faszinierendem Spieltrieb

Sie sind quasi überall da, wo es auch uns Menschen gibt und entsprechend in unseren so unterschiedlichen Mythologien eine Konstante: Rabenvögel, zu denen sowohl Raben als auch Krähen, Elstern und Dohlen fallen, begleiten uns – und sie beobachten uns sehr genau. Warum aber gibt es in all unserer Geschichte aber quasi keinerlei Hinweise, dass der Mensch sie im Gegensatz zu den meisten anderen Vogelarten verspeist hat? Krähen versucht Antworten zu finden rund um diese Geschöpfe.

KRÄHEN | Trailer

Avis ludens

In der Familie Rabenvögel (Corvidae) sammeln sich sowohl die Raben als auch die etwas kleineren Krähen, eine Spezies, die sich mit wenigen Ausnahmen fast überall auf der Welt ausgebreitet hat. Ursprünglich Aasfresser haben sie sich parallel zu uns Menschen sehr gerne in den Städten niedergelassen, wozu sie ihr Futter nur etwas mehr in Richtung der vielfältigen Abfälle umstellen brauchten, die wir ihnen vor allen hier überall hinterlassen.

Krähe im sogenannten Äsop-Experiment, bei der sie an die Nahrung kommt, wenn sie mit Steinen den Wasserspiegel erhöht. (Lucky-Film/DCM)

Bezeichnenderweise gehören die Rabenvögel zu den Tieren, die spielen. So testen sie mit gehöriger Vorsicht aber ebenso großer Neugierde neue Sachen aus, entdecken dabei neue Vorteile und können so gemeinsam neue Nischen erobern. Und sie sind eine der wenigen Spezies, die Werkzeuge nutzen. Ein evolutionärer Vorteil gegenüber Tieren, die nicht spielen, keine Werkzeuge entwickeln, sondern nur ihren einprogrammierten Verhaltensweisen folgen.

In Neukaledonien stehen die einheimischen Krähen auch keinen Räubern gegenüber und können sich entsprechend sogar mehr auf die Perfektionierung von Werkzeugnutzung spielerisch konzentrieren und kommen so zu erstaunlichen Anwendungen: Sie nutzen tatsächlich künstlich gebaute Haken, um sich Insekten aus Baumlöchern zu angeln.

Der Stil des Films

Der Film konzentriert sich auf einige wenige Schauplätze, zeigt aber damit durchaus unterschiedliche Lebensräume der Vogelart. Wenn er auf mythologische Aspekte des Vogels eingeht, wechselt er kurzfristig in einen monochromen Trickstil, der dazu noch stark mit Licht und Schatten spielt, damit aber ganz gut die verschiedenen Mythen thematisiert. Tatsächlich haben die Autoren so nicht nur Ornithologen ins Bild gesetzt, sondern stellen auch die Raben des Towers of London vor, zeigen aber auch die Versuche, die Rabenpopulation in Tokio durch Fallen zu verringern. Und wenn dann mit übertriebenen Halloween-Masken Forschende in Seattle durch einen Park laufen, wird der Film gleichermaßen skurill wie fast schon etwas gruselig – gerade weil sie damit nur illustrieren wollen, dass die Vögel durchaus Gesichtserkennung beherrschen.

Wölfe und Raben sind enge Verbündete in der Natur (Lucky-Film/DCM)

All das wird mit etwas betont angestrengten Score untermalt, der seine Mühen durchaus zeitweise in den Aufbau von Spannung legt, die teilweise auch deplatziert wirkt, da er eine falsche Stimmung auflädt. Die Erzählerin (im Deutschen Elke Heidenreich) kommt überraschend selten und eher als verbindendes Element zum Einsatz, stattdessen dominieren die untertitelten O-Töne der Forscher:innen. Wenn Heidenreich dann etwas erzählt, ist dies aber auch eher etwas sinnierend als einordnend, was aber insgesamt einen guten Kontrast zu den Fakten der Fachleute darstellt.

Der Rabe in der Fantastik

All die Faszination, die der Rabenvogel in seinem Verhalten und der engen kulturellen gegenseitigen Beeinflussung mit dem Menschen aufweist – für die mythologischen Aspekte der Vögel hat der Film leider nur ein paar Nebengedanken übrig. Ehrlich: Ein Film über Raben, und nicht einmal wird Edgar Allan Poe erwähnt? Hugin und Munin sind auch nur ein paar Sätze im Rahmen der Trickanimation wert, Botschaften überbracht durch Raben – übrigens keine Erfindung von George R.R. Martins Game of Thrones, bereits in der griechischen Mythologie bekam Apollo so schlechte Nachrichten zugestellt – finden keine Erwähnung. Ebensowenig Noah, Krabat, The Crow, Schubert oder Der Kleine Rabe Socke. Immerhin ein paar amerikanische Ureinwohner dürfen über ihre lokalen Legenden reden.

Auch in Pen-&-Paper-Rollenspielen sind Raben gern genutzte Tiere. In Dungeons-&-Dragons gibt es schon lange Raben als Tierische Gefährten, ein Nebensetting heißt gar Rabenhorst (Ravenloft), bei den Formwandlern aus den Werwolf-Die-Apokalypse-Spiel gab es auch die Werraben (Corax), bei DSA ist der Rabe das Symboltier des Totengotts und hat noch viele andere Funktionen.

Symbole

Rabenvögel sind symbolträchtige Tiere, die uns schon lange begleiten und gerade mit ihrer Intelligenz und Spielfreude immer wieder überraschen und herausfordern. Wir haben uns aber auch an sie gewöhnt, nehmen sie meist nur noch als Begleiter im Alltag wahr. Dennoch sind sie in den meisten Geschichten nicht zu vernachlässigen, sie sind wertvolle Botschafter oder gar Omen und lassen uns, wenn sie denn dort vorkommen, immer aufhorchen.

Wir brauchen mehr Geschichten mit ihnen. Und wenn wir mehr über ihre faszinierende Natur erfahren wollen, bietet Krähen eine wertvolle Übersicht.

„Krähen – Die Natur beobachtet uns“

(„Crows“)
CH 2023
Regie: Martin Schilt
4/5
„Krähen – Die Natur beobachtet uns“ erscheint am 16.11.23 im Kino.

Ron Müller

Rollenspieler auf der Suche nach neuen staffelübergreifenden Handlungssträngen.
docron.de

Kritiken zu Serien, Filmen und seltener auch Rollen- und Brettspiele …

3 Antworten

  1. Danke, für den Filmtipp! Werde mal schauen, ob der in Leipzig irgendwo läuft und ansonsten auf die DVD wartet. Bin selbst ein großer Krähenfreund. Auch immer eine Freude, den Krähenschwarm im Park mit ungeschälten Erdnüssen zu füttern. Da kann man auch die unterschiedlichen Charaktere beobachten.